Segeln um Südschweden und durch den Götakanal (2006)
Autor: Ernst Dietzel Kiel, Juli 2006
Eine erlebnisreiche Segeltour, oder ein Wohnmobilist auf dem Wasser.
In diesem Jahr ist bei mir Segeln angesagt, aber neben ein paar kleinen Standarttouren in die dänische Südsee etc. hat sich ein Törn als besonders erlebnisreich dargestellt.
Ein Törn um und durch Schweden.
Uns hätte auffallen müssen, dass wir über 1000 Seemeilen vor uns haben. Das sind ca. 2000km mit einem Segelboot, das bei gutem Wind 5 Knoten (ca. 10 kmh) läuft.
Also müssen wir in den 20 Tagen 100km pro Tag segeln, was heißt 10 h am Tag on Tour, bei gutem Wind aus der richtigen Richtung.
Wir, das sind fünf Mann, eine Frau und der Skipper.
Monika und Mathias (Angestellte im öffentl. Dienst und Journalist, beide Mitte 30)
Wulf (Zahnarzt , eigene Praxis, 64)
Andreas (Dipl. Ing. Maschinenbau, 30)
Klaus (frisch in Rente, war Dr. Ing. Maschinenbau, 65)
Friedrich (Aussteiger, war Unternehmensberater, ist unser Skipper, 55)
Und Ego (Aussteiger, war Dipl.Ing. Elektrotechnik, 55)
Außerdem eine Tonne (nicht ganz) Proviant und Getränke (zu wenig Bier) für 3 Wochen.
Das alles auf einer 15 m langen Segeljacht. Eine Jugendherberge ist dagegen der reine Luxus.
Um Lust zu haben, auf die langsamste, teuerste und unbequemste Art zu Reisen, muss man schon eine kleine Macke haben. Entgegen meiner Befürchtungen ist aber kaum menschlicher Stress während der Fahrt aufgetreten. Wir hatten auch kaum Zeit für Streitereien und das Wetter war im Juli, wie in ganz Deutschland, hervorragend. Nur der Wind war uns nicht immer wohlgesonnen. Aber trotzdem war es eine meiner schönsten Touren.
Wir brauchen einen ganzen Nachmittag, um die Vorräte im Schiff zu verstauen. So konnten wir erst am Samstagabend um 19.00 Uhr lossegeln. Wir teilten 3 Wachen für jeweils 4 Std. ein. Als Nachtmensch habe ich mich mit Wulf ab 24.00 Uhr einteilen lassen.
Aber in der ersten Nacht hat keiner von uns ans Schlafen gedacht. Wir sitzen alle sieben im Cockpit und sind neugierig auf den Törn und uns. Der Wind kommt aus Osten, da wo wir hinwollen, und er wird immer stärker. Um 01.00 Uhr haben alle das volle Ölzeug an, und das Wasser kommt uns wellenweise im Cockpit besuchen. Bei diesem Wetter hätte sowieso keiner schlafen können. Mir und auch ein paar anderen ist ein bisschen Übel. Aber zum Erbrechen hat noch keiner die Zeit und Muße gefunden.
In diesen Breitengraden ist es im Juli nur 3 Std. etwas dunkel. Aber auch die Helligkeit macht uns nicht besonders viel Appetit. Es wird wenig gegessen (haben wir die Lebensmittel unnötig mitgenommen?). Den ganzen Tag segeln wir hoch am Wind, an der dänischen Insel Langeland entlang in Richtung Insel Mön. Als wir an Abend den dänischen Hafen Klintholm anlaufen, und wir festen Boden unter den Füßen haben merken wir, dass der Mensch doch etwas Nahrung braucht. Bis in den späten Abend hinein gib es eine Grillfete vom Feinsten.
Am nächsten Tag wieder Gegenwind. Es werden Seemeilen geschruppt. In dieser Nacht versuchen nun doch die ersten zu schlafen. Der Wind ist auch nicht mehr so stark (3bf.).
Punkt 24.00 Uhr treten Wulf und ich die Nachtschicht an. Zuerst eine ruhige Fahrt gen Nordost.
Doch plötzlich segeln wir auf ein Lichtermeer zu. Über 15 Frachter mit ihren Positionslichtern sind rechts, links und vor uns auszumachen.
Ich sage zu Wulf, dass dies meine erste Nacht am Ruder eines Segelschiffes ist. Etwas aufgeregt erzählt mir Wulf, dass auch er noch nie nachts gesegelt ist.
Wir sind kurz davor den Skipper zu wecken. Aber mutig wie wir sind, navigieren wir durch die Seefahrtsstraße. Die meisten Dampfer sehen uns und machen einen großen Bogen um die Verrückten, die nachts mit einer Nussschale die Schifffahrtsstrasse durchqueren. Etwas Stress kam danach noch auf als ich im Dunkel der Nacht über die Reling pinkeln wollte.
Tagsüber kann man das nicht machen, da wir Monika nicht in Versuchung bringen wollen.
Wulf erzählt mir wie viele Segler jedes Jahr nachts beim Pinkeln über Bord fallen und nicht mehr gefunden werden. Also gehe ich brav auf die Toilette. Bei Schräglage des Bootes und Seegang immer wieder ein Erlebnis. Bei einem Erdbeben würde ich auch kein Klo aufsuchen.
Durch das ewige Kreuzen sind wir die Nacht nicht recht vorwärts gekommen. Haben sogar das Leuchtfeuer von Kap Arkona (Rügen) gut gesehen, obwohl wir nach Schweden wollen. Da der Wind gegen morgen fast einschläft, tuckern wir mit unserem 50 PS Diesel die Insel Bornholm hoch und kommen am Abend auf der kleinen historischen Insel Cristiansö an.
Tags ist hier starker Touristenverkehr. Abends sind die Segler unter sich. Wir suchen vergeblich in den zwei Kneipen der Insel ein Fernsehgerät. In unserer Verzweiflung wenden wir uns an den Hafenmeister. Er hat Mitleid mit uns und wir sieben können in seiner kleinen Wohnstube gemeinsam das Weltmeisterschaftsspiel Deutschland –Italien anschauen. Die Frau des Hafenmeisters kann gut Deutsch und hat unsere Schimpfworte über das verlorene Spiel Ihrem Mann ins dänische übersetzt. Ein Teil unserer (knappen) Biervorräte ließen wir trotz des verlorenen Spiels für die gastfreundliche Familie zurück.
Da wir die Nase vom Fußball und vom ewigen Kreuzen gegen den Wind heute voll haben, wird unter Motor die schwedische Küste angelaufen. Nach einer Übernachtung im Hafen von Kristianopel fahren wir noch einen Tag zwischen dem Festland und der Insel Öland nordwärts. Am Abend kommen wir in den Anfangsbereich der schwedischen Ostschären.
Landschaftlich ein Traum, navigatorisch eine Herausforderung. Gäbe es nicht den langen, kalten, dunklen schwedischen Winter, ich würde sofort hier hinziehen.
Hier lassen wir nur noch unseren Skipper ans Ruder. Hat uns aber leider nichts geholfen.
Der kleine hübsch gelegene Hafen hat eine Tiefe von 1,80m. Hätte Friedrich das Hafenhandbuch vorher gelesen, wären wir nicht, mit unserem 1,90m Tiefgang, im Schlick der Hafeneinfahrt stecken geblieben. Da wir im Rückwärtsgang nicht mehr frei kommen, muss der jüngste über Bord. Nicht um das Schiff um die 90kg von Andreas zu erleichtern, sondern um ein Tau um den nächsten Felsen zu schlingen und uns mit der Winde wieder aus dem Hafen herauszuziehen. Über das begeisterte Publikum haben wir uns nicht beschwert.
Aber es sollte noch schlimmer kommen. Keine 2 Seemeilen weiter sehen wir ein Segelschiff in einer schönen Bucht liegen. Also warum nicht dort übernachten, dachte jedenfalls unser Skipper. Ich war gerade auf dem Weg in unseren Salon, als ein fürchterlicher Schlag durch das Schiff geht, und ich beinahe eine 2m hohe Treppe herunterfliege. Außer dem Skipper, der sich am Ruder festgehalten hat, steht keiner mehr auf seinen beiden Beinen. Wir sind bei voller Fahrt auf ein Riff aufgelaufen. Nach dem ersten Schreck laufen wir alle durchs Schiff um zu schauen, ob wir Wassereinbruch haben. Der Skipper, der im ersten Moment die Schuld, bei dem Segler sah der uns „ fehlgeleitet „ hat, merkte dann, das er großen Mist gebaut hat.
Die roten und grünen Bojen des engen Fahrwassers sind nur 3m links neben uns zu sehen.
Andreas muss innerhalb einer halben Stunde zum zweiten mal über Bord. Er steht im 80 cm tiefen Wasser neben uns. Aus eigener Kraft kommen wir von diesem Felsen nicht mehr herunter. Der Segler sieht unsere Lage und kommt mit seinem Beiboot angefahren, um uns aus Seenot zu retten. Es ist ein Profi der sich gleich unser Großfall (Seil das den ganzen Mast hinaufgeht) schnappt und uns per Motor so stark in Schräglage zieht das wir wieder frei kommen. Zum Dank bekommt auch er ein Teil unseres (knappen) Biervorrats.
Noch leicht unter den Ereignissen der letzten Stunde leidend, fahren wir den nächsten Hafen mit einem Tiefgang über 2m an. Es ist ein schmuddeliger kleiner Industriehafen (Mönsternes) wo wir die einzigen Übernachtungsgäste sind. Aber egal, heute ist nur noch eine geruhsame Nacht angesagt.
Der nächste Tag führt uns in die sagenhafte Welt der schwedischen Ostschären. Nicht so kahl wie die westlichen, oft mit Kieferwäldern bestückt und überall große Felsen. Alle 2 km eine traumhafte Badebucht. Im diesem Jahr immerhin 18 Grad warmes Wasser.
Nach dem Vortag navigieren wir heute nur noch übers GPS und sehen auf dem Laptop ständig unsere Position auf 2m Genauigkeit. Der Tiefenmesser findet plötzlich auch große Beachtung. In den engen Fahrwassern zwischen den Schären kommt es trotzdem noch zweimal zu einer kleinen Grundberührung. Aber das kennen wir nun schon. Nach einer Übernachtung in Västerwik geht’s am nächsten Tag im Richtung Einfahrt Götakanal. Nachdem wir ein Stück zwischen den Inseln gefahren sind, meldet sich unser Navigator Andreas.
„Wenn wir diesen Weg weiterfahren, werden wir unseren Mast verlieren.“ ist sein Kommentar.
Also kehrt und ein anderes Fahrwasser suchen, da es auch hier gelegentlich Brücken gibt die weniger als 20m Durchfahrtshöhe haben. Unser Mast hat 23 m Höhe.
Wie es der Teufel, oder unsere Wacheinteilung will, stehe ich heute wieder nach 24.00 Uhr am Ruder. Immerhin fahren wir noch durch das enge Schärengebiet. Gut das es hier im Norden nicht mehr ganz dunkel wird. Trotzdem rettet mich Andreas vor einem Fehler.
In der Ferne sehe ich drei rote Leuchten einer Fähre. Da sie schon mein Fahrwasser durchquert hat tuckere ich lustig drauf los. Bis mir Andreas sagte, das es sich bei dieser Beleuchtung um eine Seilfähre handelt und wir erst an Ihr vorbei dürfen, wenn 3 grüne Lichter an sind (das Stahlseil der Fähre ist sonst noch unter der Wasseroberfläche gespannt).
Das ist noch mal gut gegangen. Mathias macht mich dann noch aufmerksam auf die weißen Bojen eines Fischernetzes, auf die ich zufahre. Immer wenn ich dann Schwäne sah, sagte ich zu Mathias:
“Schau mal da schwimmen Bojen mit Flügeln.“
Am frühen Morgen kommen wir in Mem an. Das Tor zum Götakanal.
Hier müssen wir nun unsere Fahrstrecken mal an urlaubsgerechten Zeiten anpassen.
Um 9.00 gehen die Schleusen auf, und um 18.00 ist Feierabend. Aber auch damit haben wir unsere Probleme. Monika, die unsere Bordkasse verwaltet braucht nun die nächsten Tage nicht mehr hinter den Hafenmeistern her zu laufen (manchmal hat sie diese nicht gefunden und wir hatten dann eine kostenlose Nacht im Hafen). Denn hier bezahlen wir immerhin 650 € für die gesamte Kanaldurchfahrt incl. Hafengebühren. Für die 5 Tagedurchfahrt ein stolzer Preis. Dafür werden wir auf 190 km Länge mit 58 Schleusen über 100m gehoben oder gesenkt. Die ersten 5 Schleusen machen noch Spaß, später ist es nur noch lästig, wenn hinter der nächsten Biegung ein Schleusentor auftaucht.
Die Landschaft, durch die der Kanal führt, bietet alles Mögliche. Mal geht’s an Felsen entlang, mal 5m höher als die umliegenden Felder, mal durch Wald oder über große Seen.
Landschaft am Götakanal
Als Wohnmobilist war ich schon 3-mal hier. Eine Welt wie für mich gemacht. Am ersten Tag schaffen wir es bis Berg, wo wir fünf Minuten vor Feierabend noch sieben Schleusen hintereinander bewältigen.
Da wir alle wenig Schlaf haben, wird am nächsten Tag erst um 12.00 Uhr losgefahren.
Segeln ist im Kanal verboten. Wir hätten auch wieder gegen den Westwind kreuzen müssen.
Neben ein paar Schleusen müssen wir auch gelegentlich vor Brücken warten. An einer Brücke will uns der Wärter etwas zurufen. Wir warten aber nicht und fahren zügig durch die geöffnete Brücke. An der nächsten Brücke wissen wir bescheit. Es ist 18.10 Uhr und der Brückenwärter hat seit 10 min. Feierabend. Nun stehen wir hier zwischen zwei geschlossenen Brücken, mitten in der Pampa. Haben teures Hafengeld bezahlt und übernachten nun an einer Weide mit ungläubig daherschauenden Kühen. Nach ein paar Minuten haben wir uns gefangen, holen unser letztes dt. Bier aus dem Kühlschrank. Der Skipper trinkt Wein in größerer Menge, und das hören wir dann nachts auf der Toilette. Gegen Seekrankheit ist er immerhin gefeit.
Am nächsten morgen um Punkt 9.00 Uhr öffnet der Wärter die Brücke und wir fahren weiter über Borensberg nach Motala. Motala ist die größte Stadt am Götakanal. Hier füllen wir unsere Vorräte auf. Ich schleppe das Bier an Bord. Lettöl mit 2% alk. Naja, gut gekühlt kann man es trinken.
Nächster Tag, wir kreuzen über den Vätternsee. Teilweise haben wir guten Seegang, aber auf dem Binnengewässer kommt anscheinend keine Seekrankheit auf. Da es mal wieder gegen den Wind geht, brauchen wir fast den ganzen Tag, um über den Teich zu kommen. Vor 18.00 Uhr passieren wir die letzte Schleuse und können jetzt wieder bis zum späten Abend über kleine Seen fahren. An der Schleuse in Tatorp ist wieder Schluss. Hier liegen wir über Nacht neben einer anderen Jacht aus Kiel Schilksee. Die Frau des Skippers hat sich beim Segeln die Rippen geprellt und unser Doc. wird seine Heilsalbe los. Gottseidank hat von uns keiner seine Medikamente benötigt. Gegen das Ertrinken hat er sowieso nichts dabei.
Einen Tag später erreichen wir wieder nicht unser Ziel, haben aber vor 18.00 Uhr den letztmöglichen Hafen in Lyrestad angelaufen.
Die letzten km Götakanal liegen vor uns. Bisher ging beim Schleusen alles gut. Bisher!
An der drittletzten Schleuse, es geht abwärts, eine genauso große holländische Jacht liegt eben uns. Plötzlich knackt es. Einer unserer Fender ist geplatzt. Das Wasser läuft aus der Schleuse, aber mit uns geht es nicht tiefer. Ausgerechnet jetzt, wo so ein Dicker neben uns liegt, verengt sich die Schleuse nach unten und wir verkeilen uns miteinander. Der Schleusenwärter hat es dann auch gemerkt und lässt das Wasser wieder reinlaufen. Wir verholen (für Landratten : verschieben) uns etwas. Bei vier Booten in der Schleuse gar nicht mal so einfach. Nach einer knappen Stunde sind wir aus dieser Schleuse raus. Normal hätte die Prozedur 10 min. gedauert. Am Nachmittag erreichen wir den Vänernsee. 10 mal größer als der Bodensee ist er ein kleines Binnenmeer. Hier fahren Küstenmotorschiffe. Erst wird gesegelt, gegen Abend wird wieder der Motor angeworfen und um 01.00 Uhr stehen wir vor der großen Brücke in Vänersborg. Wir wollen es uns schon nächtlich einrichten, als der Brückenwärter uns die Autobahnbrücke hochklappt. Ein toller Service. So geht es noch 2 km bis in den Stadthafen, um wieder eine kurze Nacht zu ruhen.
Am nächsten Morgen geht es, nach dem Auffüllen unseres Dieseltanks, auf den Götaälv. Der Fluss wird hier auch Trollhättekanal genannt. Die Schleusenkammern sind riesig groß, da auch Seeschiffe hier verkehren. Nachdem wir die Gebühr (90€) für diesen Kanal bezahlt haben, fahren wir flussabwärts Richtung Göteborg.
Im Trollhättekanal gibt es nur vier Schleusen. Mit einer besonderen Genugtuung fahren wir durch unsere letzte Schleuse in Lila Edet. Wir sind recht schnell unterwegs, da wir mit der Strömung fahren und sind somit am späten Abend in Göteborg. Der Stadthafen ist rappelvoll. Wir finden aber noch einen Liegeplatz am Kai vor der neuen Oper.
Am Sonntag geht es in die Stadt. Um 16.00 Uhr fahren wir weiter bis in den Skagerak, biegen dann aber links ab in die westlichen Schären. Hier wird es wieder eng, auch wegen der vielen Freizeitboote im Raum Göteborg. Am Abend finden wir aber einen traumhaften Hafen auf der Insel Donsö. Wieder eine andere Welt der felsenhaften, unbewachsenen Schären. Die östlichen Schären sind aber weitaus schöner (vielleicht meine neue Adresse). Nach einer Kuchen- und Eisfete in der Hafenkneipe haben wir eine ruhige Nacht.
Tags drauf ist der Wind wieder gegen uns, weil wir aber mal wieder segeln wollen, geht es nicht wie geplant über die Ostsee nach Dänemark, sondern wir segeln die schwedische Küste Richtung Süden bis Falkenberg ab. Wieder spät ankommen und früh losfahren. Die Zeit hängt uns im Nacken. Im Wetterbericht hören wir, dass am nächsten Tag ein starker Wind aus Nordwest kommt. Zwar nicht ganz optimal, aber endlich mal Powersegeln.
Es geht gut los. Erst Windstärke drei, dann vier, dann fünf, oh oh. Ab 11.00 Uhr fliegen wir bei 6 bis 7 Windstärken über die Ostsee nach Dänemark. Der Wind bringt leider auch Wellen mit.
Wir sitzen zum zweiten Mal mit Ölzeug im Cockpit und lassen uns die Gischt um die Ohren schlagen. Unsere Gesichter werden immer grüner. Mir wird es mulmig. Ein Teil der Mannschaft hängt über der Reling und füttert die Fische. Obwohl ich auch gut gefrühstückt habe, behalte ich das Essen bei mir. Zum ersten Mal will keiner freiwillig ans Ruder.
Klaus sieht man gar nicht mehr. Unser Segeldoktor, der seine Freizeit genauso wissenschaftlich sieht wie seinen Beruf, hat sich total verkrochen. Plötzlich, gegen 17.00 Uhr, schläft der Wind ein. An Bord kommt wieder Stimmung auf, und jeder tut so als wäre nichts gewesen. Die letzten Meilen fahren wir sogar unter Motor. Bei aalglatter See erreichen wir die dänische Insel Sejero mit einem hübschen kleinen Hafen. Hier trifft man wieder jede Menge deutsche Segler. Man merkt die Nähe zur Heimat.
Am drittletzten Tag haben wir null Wind. Wir tuckern durch den dänischen großen Belt.
Wenigsten sehen wir einige Schweinswale, und wir haben eine Ablenkung weil jeder die Wasseroberfläche beobachtet, als wären es die letzen Ihrer Art.
Während ich dies schreibe, steht halb Flensburg am Wasser, weil sich ein zehn Meter Finnwal in die Förde verirrt hat, der eine Woche später auch in der Kieler Förde gesichtet wird.
Wir tuckern weiter durch den großen Belt, unter der großen Autobahnbrücke hindurch. Diesmal auf der Westseite von Langeland hinunter über Svendborg zur Insel Aerö. Hier in Aerököping, einer schönen historischen Kleinstadt machen wir für 2 Nächte halt. Praktisch vor meiner Haustür. Bis Kiel sind es noch 30 km übers Wasser. Man merkt das nahe Deutschland besonders. Der Hafen ist rappelvoll, überall die deutsche Flagge, und wir liegen mit 8 Booten an der Kopfseite des Stegs.
Wir sind das zweite Boot, und somit müssen sechs andere Besatzungen Tag und Nacht über unser Boot laufen um an Land zu kommen. Nach ein paar Stunden kennt man sich. Nachts gibt es keine Probleme, weil ein Teil unserer Crew in einer Jazzkneipe versumpft. Bei den Bierpreisen im touristischen Dänemark freue ich mich schon wieder auf Kiel. Obwohl ich mittlerweile mehr Milch, als den bitteren Gerstensaft trinke. Aber bitte nicht weitererzählen, sonst ist mein Image aus alten Zeiten dahin.
Am letzten Tag kommt noch mal richtig Wind auf. Die paar Meilen bis Kiel sind nach 5 Std. erledigt. Wenn da nicht wieder die Wellen sind. Ab und zu trifft uns eine Windböe und das Schiff liegt voll auf der Seite. Keiner will die letzten Meilen noch das Segel reffen.
Ich setze noch einen drauf und biete der abgehärteten Mannschaft ein warmes Mittagessen an.
Kurz vorm Ziel bei etwa fünf Windstärken eine Schnapsidee, aber ich hatte mich zu weit aus dem Fenster gelehnt. Es gab für jeden (nur Moni hatte Mitleid) eine Fünfminutenterrine von Maggi. Aber ich werde nie wieder bei so einem Wellengang eine Küche betreten. Jetzt habe ich auch mehr Achtung vor unserem Skipper, im Navigieren nicht der Stärkste aber in der Küche ist er Spitze. Am frühen Abend kommen wir in Schilksee an. Während einem Abschlussessen beim Italiener rechnen wir die Bordkasse ab. Es gibt sogar noch 50 € pro Nase zurück, aber nur weil wir die Kaution mit verbraten haben. Ich gehe um die Ecke und schlafe wieder in meiner Wohnung, während der Rest die Nacht im Hafen verbringt. Am nächsten Morgen gibt es noch ein gemeinsames Frühstück und anschließend wird das Boot gereinigt. Mit Klaus habe ich noch unsere Bier- und ein paar Coladosen zum Automaten gebracht. Ein Penner und ein Schüler, die sich durch sammeln von leeren Dosen etwas verdienen, staunten über unsere großen Plastiksäcke voller Dosen und wollten von uns wissen, an welchem Strandabschnitt man so reiche Beute macht.
Wir haben nicht verraten, dass wir alles selbst getrunken haben.
(c) Ernst Dietzel
Moin Ernst,
Sehr schön geschrieben! Ich will mehr davon!!!
Gruß Martin