Moskau-Krim-Odessa Teil4 und Fazit
Inhaltsverzeichnis
Odessa – Kiew
Auf der Fahrt nach Kiew machten wir natürlich eine Rast…
…und wir wurden auch zwei Mal angehalten, aber alles verlief problemlos. Andrej saß wieder bei mir im Auto und wir schwiegen wie die Fische, bedingt durch einen sehr bescheidenen gemeinsamen Wortschatz. Am Nachmittag wurde es langweilig und ich kämpfte schon mit dem Schlaf. Plötzlich Alarm im Funk:
„Alle rechts ran! Nicht aussteigen!“
Unser vorrausfahrender Reiseleiter hatte auf der endlosen, schnurgeraden Straße die Lichter einer Wagenkolonne gesehen, die uns in rasendem Tempo entgegen kam. Ein paar Sekunden später rauschten auch schon mehrere schwere Limousinen, eskortiert von Polizeimotorrädern an uns vorbei, natürlich in der Mitte der zweispurigen Straße. Vorfahrt für Bonzen gilt immer!
Um Kiew herum wurde der Verkehr naturgemäß lebhafter, doch den Campingplatz hatten wir bald gefunden. Der war schön angelegt zwischen hohen, alten Bäumen. Es brauchte nur alles etwas Pflege.
Abends gab es ein deftiges Essen, für mich zu viel und zu fett, weshalb ich am nächsten Tag auch mit Durchfall zu kämpfen hatte und beim Besichtigungsprogramm nicht mitmachen konnte. Aleksandr, der Campingplatzchef, wollte mich mit einer Mischung aus Salz und Wodka kurieren, aber das konnte ich abwehren. Lieber habe ich meine restlichen Salzstangen vertilgt und Cola dazu getrunken.
Die Gruppe hat an diesem Tag das Kiewer Höhlenkloster besichtigt: Viele mumifizierte Leichen in stickigen, unterirdischen Gängen und Touristen, die mit Kerzen in der Hand dazwischen herumirren.
Dnjepr und Bessarabska-Markthalle
Am nächsten Tag war meine Verdauung wieder im Lot und ich konnte bei einer Bootsfahrt auf dem Dnjepr dabei sein. Der Dnjepr ist der drittgrößte Strom Europas nach der Wolga und der Donau, 1059km lang von der Quelle bei Smolensk bis zur Mündung ins Schwarze Meer bei Cherson. Hier ist der Fluss etwa 400-600m breit und 12m tief.
Vom Dnjepr aus waren die goldenen Kuppeln des Höhlenklosters zu sehen.
Dazwischen dieses…
…die Mutter Heimat, eine 108m hohe Titan-Skulptur als Denkmal an den heldenhaften Kampf im Großen Vaterländischen Krieg.
Die Drei-Millionen-Stadt Kiew hat eine Menge Brücken…
…und natürlich auch Wohnsilos.
Nach der Bootsfahrt haben wir uns zu Fuß und mit dem Linienbus aufgemacht zur Bessarabska-Markthalle.
Dort war das Angebot wunderschön arrangiert, wie man auf den folgenden Bildern sehen kann.
Aber viel zu teuer für die einheimische Bevölkerung, weshalb es hier auch recht leer war. Nur das Fleisch hatte schon Abnehmer gefunden.
Abends gab es auf dem Campingplatz wieder reichlich und gut zu Essen.
Jetzt auch mit Folklore-Darbietung.
Kiew – Lemberg – Poprad
Der nächste Tag sah unseren Konvoi…
…in den Karpaten der Westukraine…
…auf dem Weg nach nach Lwiw (Lemberg). Von dieser historischen Stadt haben wir nur leider nichts gesehen, außer dem Campingplatz.
Aber die Landschaft wurde abwechslungsreicher, die Straße machte ein paar Kurven, statt immer nur geradeaus. So blieb das auch bis zur slowakischen Grenze bei Ushgorod.
An der Grenze hatten wir drei Stunden Aufenthalt, wie sich später herausstellte, weil einer der Reiseteilnehmer gefilmt hatte und so in Spionageverdacht geraten war. Beim Prozedere ging es wieder mal um Stempel und Laufzettel. Am Ende wurden wir zum slowakischen Zoll vorgelassen, der hat nach Wodka und Zigaretten gefragt (Wer hat sowas schon…) und uns eine gute Weiterfahrt gewünscht.
Sofort waren die Straßen besser, das Rasseln und Klimpern der letzten Wochen auf dem rauen Belag hörte plötzlich auf. Die Häuser in den Dörfern waren hübsch und gepflegt, der Westen hatte uns schon fast wieder.
Abends waren wir auf dem Campingplatz von Michalovce mit Blick auf einen See.
Am nächsten Tag verkündete uns Reiseleiter Juri strahlend, dass er jetzt Urlaub hätte, denn er war noch nie in der Slowakei. Die Führung übernahm daraufhin Dieter, der war auch noch nie in der Slowakei, hatte aber ein Navigationssystem. Die Fahrt ging durch Mittelgebirgslandschaft bis zum Campingplatz von Poprad. Hier waren wir am Rand der hohen Tatra.
Ausflug in die Hohe Tatra und weiter nach Roznov
Am nächsten Tag war Zeit zur freien Verfügung. Mit ein paar Leuten haben wir uns in den Hymer eines Ehepaars gesetzt und sind zu einem Ausflug in die Umgebung aufgebrochen. Schon vor der Abfahrt hatte ich dem Fahrer den fast platten rechten Hinterreifen gezeigt, aber er tat das mit einem Achselzucken ab. Der Zufall wollte es, dass ich oberhalb des bewussten Reifens saß und ich habe bei jeder Radumdrehung einen Stoß gespürt und das auch nach vorne vermeldet, was aber ohne Reaktion blieb. Irgendwann gab es einen Knall und das Mobil geriet bei 60km/h ins Schlingern. Unser Fahrer konnte es aber sicher zum Stehen bringen und war plötzlich sehr routiniert beim Radwechsel. Dann ließ er durchblicken, dass ihm dieser Reifen schon vier Mal geplatzt war. Abgesehen von diesem Schreckmoment war es ein schöner Ausflug.
Zunächst ging es in den Touristenort Tatranska Lomnica mit einer Menge altehrwürdiger Häuser und Hotels…
…und natürlich den umgebenden Bergen der Hohen Tatra.
Weiter ging es danach in das mauerumgürtete Städtchen Loveca.
Das liegt sehr hübsch zwischen den sanften Hügeln am Rand der Hohen Tatra.
Auch hier wieder Restauriertes…
…und Baufälliges…
… dicht beieinander.
Am nächsten Tag ging es von Poprad nach Roznov in Tschechien, diesmal wieder in zwei Gruppen, weil einige Beschränkungen hinsichtlich des Gewichts oder der Höhe befürchteten. Die haben aber auf ihrer Autobahn eine schöne Strecke durch die Hohe Tatra verpasst. Es ging durch dichte Wälder und hübsche Dörfer.
Kurz vor dem Ziel in Roznov war die Grenze zwischen der Slowakei und Tschechien zu passieren, dort wurde aber nur stichprobenartig kontrolliert.
Der Campingplatz in Roznov war gut besucht. Wir haben in großer Runde dort Andrejs 29. Geburtstag gefeiert, ich war also nicht ganz der Jüngste in der Truppe mit meinen damals 35 Jahren.
Schlussetappe nach Prag
Am nächsten Tag ging es weiter nach Prag und damit zum Endpunkt der Reise.
In Prag stand natürlich eine Stadtbesichtigung auf dem Programm.
Der Hradschin…
…die Prager Burg.
Der Veitsdom…
…die Kleinseite mit Frans Kafkas Geburtshaus…
…und der Wenzelsplatz.
Auf der Karlsbrücke saßen sehr viele Straßenmusiker.
Am Abend gab es noch Lagerfeuer auf dem Campingplatz und am nächsten Tag hat sich die Gruppe in alle Winde zerstreut. Ich war noch am selben Tag nach der Fahrt durch Böhmen und den Bayrischen Wald wieder daheim bei München.
Fazit.
Alles hier Geschriebene bezieht sich auf eine Reise im Jahr 1999. Wer also selbst eine solche Reise plant, sollte auf jeden Fall aktuelle Informationen einholen. Viele meiner Eindrücke und Erinnerungen von damals sind heute sicherlich überholt. Trotzdem ein paar Anmerkungen.
Straßenzustand.
Der war natürlich nicht mit westeuropäischen Straßen zu vergleichen, aber es war auch nur selten wirklich sehr schlecht. Bei Regen muss man aufpassen, unter einer scheinbar glatten Pfütze kann sich ein gewaltiges Schlaglog oder ein offener Kanaldeckel verbergen. Es empfiehlt sich, mit etwas Abstand anderen Fahrzeugen zu folgen und die zu beobachten. Ich habe nur einmal das Durchschlagen der Federung gehört und gespürt, da hatte ich das Schlagloch zu spät gesehen.
Auch zu Fuß ist man vor Gehwegschäden nicht sicher, also immer die Augen auf den Weg richten.
Polizeikontrollen
Die sind häufig und schon manchmal lästig. Ich kann nichts darüber sagen, wie der Umgang mit Touristen ohne Begleitung durch einheimische Reiseleiter ist und ob die gerne mal ungerechtfertigt abkassiert werden. In dieser Hinsicht hat Juri gut auf uns aufgepasst. Kritisch waren die Inoffiziellen in der Ukraine, die eine technische Kontrolle machen wollten. Oft sind die Polizisten oder Milizionäre sehr jung, vielleicht Anfang Zwanzig und einfach nur neugierig. Mit Freundlichkeit kommt man auf jeden Fall weiter, etwas anzubieten kann aber schnell als Bestechungsversuch ausgelegt werden.
Tanken
Beim Tanken ist einiges anders. Man sollte sein Auto gut kennen und wissen, wie die Tankanzeige zu deuten ist, denn man muss vor dem Tanken für die gewünschte Menge Sprit bezahlen und erst dann wird die Pumpe angestellt. Hat man sich verschätzt und der Tank ist schon voll, läuft der Rest des teuren Safts unter Umständen auf den Boden. Zapfpistolen mit Füllstop waren damals nicht verbreitet. Das Bezahlen geschah an einem Kassenhäuschen mit einem winzigen Gitter, durch das man das Geld reichen musste. Läden gab es kaum bei den Tankstellen.
Zu Gruppenreisen und zum Konvoifahren habe ich mir natürlich auch eine Meinung bilden können.
Gruppenreisen mit dem Wohnmobil
Zwiespältig. Man trifft in jeder Gruppe Leute, mit denen man gut auskommt und solche, denen man lieber aus dem Weg geht. Hier kommt die spezielle Lebensform Wohnmobil dazu. Der abendliche Campingstuhlkreis war fast Pflicht, es gab natürlich auch immer etwas zu besprechen. Morgens saßen 80% der Teilnehmer mindestens eine Viertelstunde vor Abfahrt fertig in ihren Autos und warteten darauf, endlich den Zündschlüssel drehen zu können. Ich war meistens auf die Minute zum Abfahrtszeitpunkt fertig, aber nicht eher.
Das Programm war insgesamt in Ordnung, nur für den Besuch auf Märkten war immer zu wenig Zeit. Auch galt die durchfahrene Landschaft eher als Hindernis, denn als sehenswerter Teil der Reise, zumindest von Seiten der Reiseleitung. Die Städte sollten wir sehen, das Land dazwischen zählte nicht
Konvoi fahren mit Funk
Ebenso Zwiespältig. Einerseits ist es gut in einer Großstadt wie Moskau einfach einer Gruppe hinterherfahren zu können. Andererseits wurden gerade in Moskau alle von der allgemeinen Raserei auf dem Autobahnring angesteckt. Unter 120km/h ist dort niemand gefahren. CB Funk hilft auch, die Gruppe wiederzufinden, sollte man einmal falsch abgebogen sein. Aber es kann auch sehr nerven. Ich musste ja die Relaisstation im Funk machen, weil mich alle verstehen konnten, aber manche nicht den Reiseleiter. So musste ich alles wiederholen, was der gesagt hat. Habe ich einmal geschwiegen, kam von irgendjemand bestimmt die Frage:
„Henning, was hat er gesagt?“
Habe ich alles treu und brav wiederholt, gab es Beschwerden:
„Dauernd muss ich mir das zwei Mal anhören!“
Würde ich das wieder machen?
Wahrscheinlich nicht. Nach gut drei Wochen hatte ich auf dieser Reise einen echten Lagerkoller. Ich konnte ja nicht anhalten, wie es mir passt, ich konnte, bedingt durch den Funk, nicht mal Musik beim Fahren hören. Allerdings war diese Art der Reise ein Weg, nach Russland und in die Ukraine zu kommen. Wenn sich bei den Polizeikontrollen nichts geändert hat, wüsste ich heute nicht wirklich, wie ich damit umgehen sollte.
(c) Henning Schünke
Moin Henning,
Schöner Bericht !
Als „Russlandspezialist“ kann ich mich Deinem Fazit anschließen .
Meine Polizeikontrollen ( Anno 2005 ) bis zum Baikalsee habe ich nicht gezählt.
Bis heute wartet noch ein Beamter auf mein Versprechen, ihm auf der Rückreise in Krasnojarsk ein paar Omuls ( Forellenart, die nur in Baikalsee vorkommt ) mitzubringen.
War eine Notlüge, sonst hätte er mich noch eine Stunde weiter kontrolliert :-))
L.G. Ernst