Moskau-Krim-Odessa (Teil2)
Inhaltsverzeichnis
Moskau – Stadtrundfahrt und Roter Platz
Heute, am 8. Tag unserer Reise, sollten wir diese Weltstadt besichtigen.
Mit dem Bus ging es zunächst unter Führung der Fremdenführerin Tatjana zur Lomonossow Universität. Das ist eines von insgesamt sieben riesigen Gebäuden in Stalins Zuckerbäckerstil…
…von denen fast an jedem Punkt der Stadt mindestens eines zu sehen ist. Die Universität hat nicht weniger als 22.000 Räume. Vorbei am Bolschoi-Theater…
…und der Geheimdienstzentrale des ehemaliegen KGB…
…der Lubjanka ging es zur Moskwa.
Als nächstes näherten wir uns dem Kreml. Zunächst vorsichtig vom anderen Moskwaufer aus mit Blick auf den Kathedralenplatz…
…dann schon etwas mutiger vorbei an der Basilius-Kathedrale…
…zum Roten Platz.
Dieser war nur leider weiträumig abgesperrt, weil an diesem Tag das Lenin Mausoleum…
…geöffnet war. Und weil früher sich die gesamte sozialistische Welt an solchen Tagen hier versammelte, was eine Sperrung des Platzes damals sicherlich sinnvoll erscheinen ließ, konnte man auch in postsowjetischer Zeit, wo nur noch ein paar Unentwegte den toten Revoluzzer sehen wollten, nicht von dieser Tradition lassen.
Das staatliche Historische Museum war leider eingerüstet…
…aber davor ist der Nullpunkt der Straßenkilometrierung in der ehemaligen Sowjetunion ins Pflaster eingelassen.
Weil auch der Regen nicht nachlassen wollte und unsere Führerin noch andere Termine hatte, machten wir uns wieder auf den Weg zu unserem Quartier. Aber morgen wollten wir wiederkommen, diesmal mit der Metro.
Der Verkehr in Moskau ist ähnlich dicht und chaotisch wie in einer westlichen Metropole.
Aber auch hier sind die Menschen arm. Die Mutter unserer Stadtführerin bekommt 450 Rubel Rente (1DM entspricht 11 Rubel). Davon muss Sie allein 300 Rubel Miete zahlen und ein Weißbrot kostet etwa 3,50 Rubel.
Auf der Straße sieht man viele westliche Nobelkarossen, aber diese gehören vor allem den sogenannten „Neuen Russen“ . Zu der vom Mann auf der Straße so bezeichneten Schicht gehören Unternehmer, wie auch Mafiabosse, wobei die Grenzen zwischen diesen Formen des Broterwerbs in den Augen der Bevölkerung oft mehr als fließend sind. Ein Umstand, der den ehrlicheren unter den erfolgreichen russischen Unternehmern das Leben sicherlich nicht leichter macht.
Metro und Kreml
Heute ging es unter Tatjanas Führung zunächst mit dem Linienbus zur nächsten Metrostation…
…und von da zur Ringstrecke der Metro, an der die schönsten Stationen zu sehen sind. Diese Stationen wurden zwischen den dreißiger und fünfziger Jahren mit ungeheurem Aufwand und Prunk errichtet. Da spenden Kronleuchter Licht auf den Rolltreppen…
…da schmücken Bilder sozialistischer Errungenschaften oder epische Gemälde von Ernteschlachten Decken und Wände.
Da wandeln die Fahrgäste zwischen edelstahlverkleideten Bögen…
…oder sitzen vor rückwärtig beleuchteten Glasmalereien.
Welche eine Tristesse herrscht dagegen in den U-Bahn Stationen von Paris oder London! Auch wird hier unten, im Gegensatz zu so manch maroder Bausubstanz über Tage, alles in Ordnung gehalten. Aber die Moskauer Metro ist beileibe nicht nur ein Schaustück für Touristen. Mit 6 Millionen Fahrgästen täglich ist sie sicherlich das verkehrstechnische Rückgrat der Metropole.
Wir verlassen nach ca. 3 Stunden Metrofahren für umgerechnet ein paar Pfennige auf einer schier endlosen Rolltreppe…
…den Bauch der Stadt, um den Kreml jetzt auch von innen zu besichtigen.
Vorbei an der Zarenglocke…
…(gut 200 Tonnen schwer) und der Zarenkanone…
…(Lafette und Lauf gut 80 Tonnen schwer) geht es zum Kathedralenplatz, an dem gleich mehrere von verschiedenen Zaren errichtete vieltürmige Kirchen stehen.
Vor und in diesen Kirchen fehlen die sonst allgegenwärtigen Babuschkas, weil der Eintritt in den Kreml für den Moskauer Normalbürger unerschwinglich ist. Und in der von uns besichtigten Maria-Himmelfahrt-Kathedrale…
…ist auch kein Gottesdienst, so daß Zeit bleibt, sich das Innere einer orthodoxen Kirche genauer anzusehen.
Die Kirche besteht in der Regel aus drei Räumen: dem Vorraum, dem Hauptraum und dem Allerheiligsten. Im Hauptraum stehen die Gläubigen während des mehrstündigen Gottestdienstes. Männer müssen dabei die Kopfbedeckung abnehmen, Frauen dafür ein Kopftuch tragen. Der Hauptraum ist vom Allerheiligsten durch die Ikonenwand getrennt…
…die über und über mit prächtigen Heiligenbildern behängt oder bemalt ist. In der Ikonenwand befindet sich eine Tür…
…durch die nur der Priester das Allerheiligste betreten darf. Hier empfängt er die Weisheiten Gottes und verkündet diese dann der Gemeinde im Hauptraum.
Als besonderer Kontrast zur Armut der Gläubigen fällt die überreiche Ausschmückung mit Gold im Inneren der Kirchen sofort ins Auge. Oft sind auch die Kuppeln auf den vielen Türmchen vergoldet.
Zum Abschluss des Tages besichtigen wir noch das gegenüber dem Kreml gelegene Kaufhaus GUM. Hinter einem eher schäbigen Eingang…
…verbirgt sich ein prächtiges Gebäude mit drei parallelen glasüberdachten Hallen…
…in denen viele kleine Läden überwiegend westlicher Marken zu finden sind. Im ersten Stock verläuft noch eine Galerie…
…von der aus sich das Treiben beobachten lässt. Die Preise liegen auf Westniveau oder noch darüber, aber das scheint hier niemanden zu stören, immerhin ist man im GUM.
Bummeln am freien Tag
Am folgenden Tag zur freien Verfügung wollte ich mich mit meiner Cousine treffen, die zu dieser Zeit in Moskau beim Buchhandels-Informations-Zentrum gearbeitet hat. Sie hat unter anderem Slawistik studiert und spricht fließend russisch. Wir haben uns vor der Basilius-Kathedrale am Roten Platz verabredet (was für ein Treffpunkt…). Irgendwo sonst wäre mir auch die junge Frau, vertieft in die Leküre des „Kommersant“, einer Moskauer Wirtschaftszeitung, wahrscheinlich nicht aufgefallen, denn Sie hatte sich bereits perfekt dem Erscheinungsbild der jungen, hübschen Moskauerinnen angepasst.
Gemeinsam erkundeten wir die Moskauer Innenstadt. Es gibt viele gut restaurierte alte Häuser….
…und auch moderne Bauten.
Die erwähnten maroden Gebäude sind eher in den Aussenbezirken zu finden. Generell, und das gilt ebenso für andere Städte in der GUS, sind die Strassen recht sauber. Es ist fast ständig irgendwo jemand mit einem Besen zu sehen. Mitunter wird selbstvergessen immer die selbe Bodenfliese abgefegt aber im Großen und Ganzen ist der Einsatz für die Reinlichkeit positiv zu bemerken. Auch sind Menschen, die auf der Straße mehr oder weniger Nützliches feilbieten, allgegenwärtig. Mitunter sind das auch die armen Babuschkas, die versuchen, ihre armselige Habe in ein paar Kopeken umzuwandeln.
In Moskau gibt es Fussgängerzonen, die sich optisch nur durch Reklametafeln in kyrillischer Schrift von denen im Westen unterscheiden.
Allerdings präsentiert sich hier die Marktwirtschaft auch oft recht laut und schrill, so daß sich die Geschäfte mit Musik gegenseitig zu übertönen versuchen.
Moskau – Orel – Charkow
Am nächsten Tag verließen wir Moskau auf der M2 in Richtung Tula auf dem Weg zu unserem Etappenziel Orel.
Obwohl das RUS-Hotel direkt neben der richtigen Strasse liegt, mussten wir zunächst einen riesigen Umweg durch die Stadt fahren, um auf die richtige Seite der mehrspurigen Autobahn zu gelangen. Dies scheint typisch für Russland zu sein: Hier ist alles doppelt so umständlich, wie es sein müßte.
Kaum waren wir aus Moskau heraus, schlug das Pannenteufelchen erneut zu. Diesmal bleibt eines der neueren Dieselfahrzeuge stehen. Wir vermuteten zunächst einen verstopften Kraftstoffilter, bis sich am Ende ein nachträglich eingebautes Sicherheitsventil zum Absperren der Kraftstoffzufuhr als Ursache entpuppte. Nachdem das Ventil mit einem Schlauch umgangen wurde, konnten wir unsere Reise fortsetzen.
In der Gegend von Tula wurde von den Strassenhändlern der für die Gegend typische Honigkuchen angeboten, mit dem wir uns auch gleich reichlich eindeckten. In Orel waren wir bei einem Motel einquartiert. Hier gab es Strom und ein sehr liebevoll zurechtgemachtes, schmackhaftes Abendessen. Die Bummelei hinterm Wohnwagengespann hatte zumindest ein Gutes: Ich konnte einen Verbrauchsrekord von 6,5 Litern Diesel auf 100 km aufstellen, für einen 3,5-Tonner sicherlich kein schlechter Wert. Dennoch ging einigen von uns die Zuckelei auf die Nerven, zumal uns noch einige lange Etappen von mehr als 500km bevorstanden und wir uns fragten, wie wir die denn bei dem Tempo schaffen sollten. So reiften Pläne zur Teilung der Gruppe während der Fahrt heran.
Am nächsten Tag waren wir aber noch gemeinsam in Richtung Charkow/Ukraine unterwegs. Das böse Pannenteufelchen hatte sich anscheinend genug ausgetobt und so konnten wir problemlos durch das weite Land mit Feldern und Wäldern fahren.
Die Mittagsrast fand neben dem Denkmal für die Kursker Panzerschlacht im August 1943 statt.
Auch hier war wieder der übliche Sowjet-Pomp zu besichtigen, allerdings ohne Musikuntermalung. Das Museum in der Anlage diente in erster Linie der Heldenverehrung und alles war kyrillisch beschriftet, weshalb man auf die Erklärungen des uniformierten Führers angewiesen war, worauf die meisten von uns dankend verzichteten. Aber der Bevölkerung bedeuten solche Stätten noch immer etwas. Während unseres vielleicht eineinhalbstündigen Aufenthaltes kam dort eine Schulklasse und eine Hochzeitsgesellschaft zum obligatorischen Hochzeitsfoto vor dem T34-Panzer vorbei.
Wir aber mußten sehen, daß wir weiterkamen, denn uns stand noch die russisch-ukrainische Grenze bevor. So fuhren wir weiter auf bis zum Horizont schnurgerader Straße durch eine Landschaft, die sich seit Polen nicht wesentlich verändert hatte.
An der Grenze brachten wir etwa zwei Stunden damit zu, die Zollerklärung bei den Russen abzugeben und die Fahrzeuge bei den Ukrainern zu registrieren. Das kostete 5 Griwna, umgerechnet etwa 2,50 DM.
Am Abend erreichten wir Charkow, das uns mit ausgesprochen schlechten Strassen empfing, so daß die Schlaglochwarnungen über CB-Funk gar kein Ende nehmen wollten. Um 20:00 Uhr waren wir schliesslich am Motel angekommen. Auch hier wurden wir vom Direktor begrüßt, der alle irgendwie an Nikita Chrustschow erinnerte, nur schlug er nicht mit dem Schuh aufs Rednerpult, wie sein Doppelgänger vor der UNO. Laut Direktor Chrustschow waren wir die ersten ausländischen Gäste in diesem Jahr und wir würden die Saison eröffnen.
Das anschliessende Abendessen entsprach dem, was wir schon kannten: Schnitzel. Das Motel war insgesamt in einem brauchbaren Zustand, wir hatten Strom und Wasser. Allerdings schlossen auch hier die Türen nicht richtig und im Bad rauschte immer irgendwo Wasser durch. Das war ein Phänomen, das ich überall in den bereisten GUS-Ländern beobachten konnte: Viele Türen musste man entweder mit Gewalt schliessen oder konnte sie nur mit Gewalt öffnen und in den Toiletten oder Waschräumen leckte fast jeder Wasserhahn, so daß auch hier immer ein Rauschen zu hören war.
(c) Henning Schünke