Norwegen 2002 – Teil 3
Inhaltsverzeichnis
- Walsafari in Andenes
- Nach Harstad und zum Polar-Zoo
- Tromsö: Eismeerkthedrale, ein hölzerner Dom und Mitternachtsmusik
- Über Alta zum Nordkap
- Der letzte Fjord und weiter zu den Samen
- Ein kleines Stück Finnland, der Polarkreis und die Ostsee
- Entlang der Ostsee zum Siljan-See
- Eisenbahnmuseum Grängesberg, Götakanal und ab nach Hause
Walsafari in Andenes
Dienstag, den 9. Juli (31. Tag)
Ich verschlafe auch nicht und bin pünktlich zur Stelle. Die Gruppe wird von drei jungen Guides in Skandinavisch, Englisch und Deutsch betreut. Zunächst erzählen sie von den Wellen auf dem Meer und das man sich den Ausflug doch nicht durch Seekrankheit verderben lassen solle, denn da gäbe es ja Pillen. Aber Vorsicht, nicht nehmen bei…und es folgt eine lange Liste von Krankeiten.
Ich entschließe mich, auch keine Pillen zu nehmen, schließlich habe ich auch die drei Tage auf der „Norröna“ nach Island gut durchgestanden, aber die Zweifel nagen dennoch. Aber bevor es losgeht, gibt es noch eine Diashow mit hübschen Bildern und Musik und dann eine Führung durch die Ausstellung. Dabei erfährt der überraschte Besucher, daß die nächsten Verwandten des Wals an Land Huftiere wie Schafe oder Rinder sind. Dann wird der Unterschied zwischen Barten- und Zahnwalen erklärt und daß wir Pottwale, also Zahnwale sehen werden, die sich hier von Tintenfischen ernähren, die sie am Rande des Kontinentalsockels in mehr als 1000m tiefem Wasser finden. Hier im Norden sind aber nur die männlichen Tiere, während Weibchen und Jungtiere im Bereich um den Äquator herum leben, denn diese haben keine so dicke Speckschicht, die es ihnen erlauben würde, die arktischen Wassertemperaturen auszuhalten.
Der männliche Pottwal wird etwa 20m lang und kann bis 70t schwer sein.
Um zehn Uhr steigen wir schließlich aufs Schiff, ein vielleicht 40m langer, ehemaliger Walfänger namens Reine.
Sowie das Schiff aus dem geschützten Hafenbereich heraus ist, geht der Tanz auf den Wellen los, obwohl wir gutes Wetter haben: Wenig Wind und gute Sicht. Aber auf dem Atlantik ist das Wasser eben immer in Bewegung und im Vergleich zur Norröna ist dies eine Nußschale. Aber das flaue Gefühl im Magen vergeht wieder und ich stehe bald auf, um das Schiff zu erkunden und mir „Seebeine“ wachsen zu lassen.
Nach einer Stunde Fahrt sind wir am Rand des Kontinentalsockels angekommen, der hier so dicht wie nirgends sonst an einem norwegischen Hafen liegt, nur 16km entfernt. Der bisher laut röhrende Diesel wird gedrosselt und das Schiff treibt dahin. Alle an Bord suchen schweigend die Wasseroberfläche nach dem „Blas“ eines Wals ab, jener Gischtfontäne, die er beim Ausatmen erzeugt.
Nach einer halben Stunde herum suchen plötzlich Aufregung an Bord: Ein Wal, Steuerbord voraus! „Wal! Da bläst er!“ heißt es in dem Moment bei Moby Dick, glaube ich.
Unser „Käpt’n Ahab“ ist aber wesentlich besonnener und ist auch im Vollbesitz gesunder Gliedmaßen. Auch den Harpunier gibt es hier nicht, statt dessen surren die Kameras, erst recht als der Wal nach kurzer Fahrt grau glänzend neben uns liegt. Die Guides und die Schiffsbesatzung erkennen ihn schon am Muster der Schwanzflosse, das für den Pottwal so etwas wie ein Fingerabdruck ist.
Dieser liegt eine Weile ruhig im Wasser, bläst alle 10-15 Sekunden Luft aus…
…macht sich dann krumm, hebt die riesige Schwanzflosse aus dem Wasser…
…und taucht ab zur Jagd auf Riesenkraken. Dieser Tauchgang kann eine Weile dauern, also heißt es, einen neuen Wal zu suchen. Zu Diesem hier kommen wir zurück, wenn er wieder aufgetaucht ist.
Diesmal müssen wir nicht lange suchen, wieder das gleiche Spiel: Schleichfahrt bis der Wal ein paar Meter neben dem Schiff liegt, dann kann man, während er atmet, eine kleine Rückenflosse und je nach Wellengang mehr oder weniger vom Rücken sehen. Die Bootsbesatzung ruft dann plötzlich „He is Diving!“ und dann macht er sich krumm, hebt die Flosse aus dem Wasser und ist verschwunden. Auf diese Weise beobachten wir noch einen dritten Wal und fahren dann wieder zurück in den Hafen von Andenes. Nach gut 4 Stunden ist das ganze Abenteuer vorbei und ich war nicht mal seekrank.
Jetzt noch eine Kleinigkeit essen, denn an Bord gab es nur eine Suppe mit Brötchen, und dann ins Polarmuseum. Dies ist allerdings eher eine Enttäuschung. In einem alten Holzhaus wurden Erinnerungsstücke einer norwegischen Familie zusammengetragen, die mehrere Winter auf Svalbard (Spitzbergen) verbracht hat. Auch hier nur ein dünnes deutsches Heftchen und wenige englische Texte an den Ausstellungsstücken.
Nach dem Einkaufen fahre ich jetzt an der Westseite von Andöya Richtung Süden. Hier sind die Berge schon deutlich dichter am Wasser und die Küste bietet eine Reihe hübscher Ausblicke.
Ich finde schließlich eine Schotterstraße nach Dverberg, also zur anderen Seite und übernachte einsam im Inneren der Insel. Nur das Gebimmel von ein paar Schafen ist in der Ferne zu hören und ganz selten fährt mal ein Auto vorbei. Auch dies wird also eine ruhige Nacht werden.
Nach Harstad und zum Polar-Zoo
Mittwoch, den 10. Juli (32. Tag)
Die Nacht war ruhig und ich fahre zurück zur westlichen Küstenstraße. Bei Nordmela entdecke ich ein Schild „A 15km“. Das kann natürlich nicht das A auf den Lofoten sein, aber sollte es noch einen zweiten Ort dieses Namens geben ? Da hilft nur nachsehen. Die Straße führt wieder ins Innere der Insel Andöya. Einige Seen und bewaldete Berge geben der Landschaft einen idyllischen Reiz. In manchen Tälern liegen noch dicke Wolken, während ringsumher die Sonne scheint. Der Hintergrund bilden die zerklüfteten Berge der Inseln Senja und Grytöya, die aus dem Dunst aufragen.
Ein Ortsschild A sichte ich aber nicht, komme aber natürlich bald auf die Straße Nr. 82, die ich ja schon kenne. Also wieder umdrehen und die Landschaft von der anderen Seite betrachten.
Hier sichte ich zum dritten Mal ein kleines, mir unbekanntes Tier, das ein paar Meter vor dem Auto über die Straße huscht. Es ist etwa so groß wie eine Ratte, hat ein dunkles Fell und ich kann weder einen Kopf, noch einen Schwanz erkennen. Irgendwie sieht es aus wie eine zu groß geratene Kellerassel auf vier kurzen Beinen. Wahrscheinlich ist es ein Lemming.
Zur Südspitze von Andøya fahre ich mit dem Fahrrad, denn diese liegt auf einer Halbinsel, die komplett umrundet werden kann. Ich mache die Runde entgegen dem Uhrzeigersinn und fahre zunächst an der Westküste entlang. Die Gegend wird einsam und die Straße besteht bald nur aus Schotter.
Meist geht es dicht am Meer entlang. Obwohl die Berge hier bis dicht an die Küste herantreten, sind nur wenige Höhenunterschiede zu überwinden. Zur Südspitze hin weicht der Schotter wieder dem Teer, dafür wird es windig. Jetzt stehen schon wesentlich mehr Häuser an der gut ausgebauten Straße. Auf der Ostseite fallen die Berge flach zum Meer hin ab. Hier kann man eine ganze Weile die Brücke bei Risöyhamn in der Ferne sehen.
Nach ca. 35km bin ich wieder beim Auto und mache mich auf die Socken, denn ich will noch ein Stück in Richtung Harstad vorankommen.
Also wieder zur 82, über die besagte Brücke hinüber nach Hinnöya und dort in flotter Fahrt zur E10. Nach ein paar Kilometern zweigt die 83 ab zur Fähre Fleksnes – Revsnes, die mich für 56 NOK über den Guflesfjord bringt. Da es stark weht und der Salon mal wieder ganz unten im Schiff ist, sitze ich im Auto und kann nicht über die Bordwand gucken.
Nach der Fähre bin ich immer noch auf Hinnöya und fahre auf der 83 am Guflesfjord entlang und halte nach einem Übernachtungsplatz Ausschau. In Straumen biege ich schließlich ab ins Innere der Insel und bin überrascht: Hier sieht es aus wie in Franken. Wälder und Wiesen ziehen sich über Hügel hin, dazwischen immer mal wieder ein Gehöft. Und in den Wäldern stehen nicht etwa nur verkümmerte Birken in lichter Ordnung nebeneinander. Nein, große Fichten und ansehnliche Birken, sowie Tannen kommen vor. Und da das Klima hier recht günstig zu sein scheint, ziehen sich diese Wälder ziemlich weit die Berge hinauf. Ich finde eine Lichtung neben der Straße und verstecke mich dort zwischen den Bäumen.
Gegen halb zwei ist plötzlich Bewegung draußen: Ein Auto steht da, aus dem gedämpft ein monotones Wummern zu hören ist. Wahrscheinlich habe ich unwissentlich das Liebesnest von ein paar Jugendlichen besetzt. Aber es passiert weiter nichts, obwohl ich schon einen Alarmstart in Erwägung ziehe und nach 20 Minuten ist der Spuk vorbei.
Donnerstag, 11. Juli (33. Tag)
Ich fahre zurück zur 83 und durch eine noch immer irgendwie fränkisch anmutende Landschaft nach Harstad. Hier finde ich nach etwas herumkurven auch die Kirche von Trondenes aus dem 13. Jahrhundert, eine der ältesten Kirchen im Norden.
Da die letzte Busgruppe gerade verschwunden ist, kann ich mir das Innere in Ruhe ansehen. Hier gibt es einen reich geschmückten Altar und sogar bunte Glasfenster.
Die meisten anderen Kirchen, in die ich bisher hinein sehen konnte, waren eher karg ausgestattet, was sicherlich meist auf die Armut der Gemeinde zurückzuführen ist.
Die auch in meinem Reiseführer erwähnten Adolfkanonen liegen auf dem Gelände einer Kaserne und können nur mit Führung zu bestimmten Zeiten besichtigt werden, so daß ich darauf verzichte. Wahrscheinlich sind dies eher neuzeitliche Kanonen, die ein gewisser Adolf H. aus Deutschland dort zu Beginn der vierziger Jahre aufbauen ließ…
Ich fahre weiter, zunächst nach Elgsnes, das an der Spitze einer schmalen Landzunge liegt. Auf dem Weg dorthin geht es über einen Berg und die Straße ist recht steil und verläuft einige hundert Meter über dem Fjord.
Leider ist der kleine Parkplatz am Ende der Straße schon voll und ich drehe wieder um. Zum Mittagessen, mit Blick auf die gegenüberliegende, grau-felsige Grytöya findet sich aber noch ein Plätzchen.
Jetzt mache ich eine kleine Rundfahrt. An der Küste entlang geht es zum Aussichtspunkt Nupen, der bereits in Harstad ausgeschildert ist. Hier sieht man die gezackten Berge von Langöya im Westen, die Hügel von Andöya im Nordwesten und die Landzunge von Elgsnes im Osten. Auf der Straße 849 komme ich wieder zur 83 und hier auf bereits bekannter Strecke nach Harstad. Da ich mich entschlossen habe, noch nach Tromsö zu fahren, geht es jetzt in flottem Tempo zur E10 und dann auf die E6 in Richtung Norden. Die Entfernungsangabe „Kirkenes 1042 km“ gibt einen kleinen Eindruck von den Dimensionen dieses Landes.
An der E6 sichte ich bald einen Hinweis zum Polar-Zoo (englisch), der dadurch verlockend wirkt, daß es ebenfalls einen Stellplatz und sogar eine „Tömmestasjon“ (Entsorgungsstation) gibt. Der Stellplatz kostet 50 NOK, aber die übrigen Preise sind ernüchternd: Eine sagenhafte Strompauschale von 50 NOK und nochmals 50 NOK für die Entsorgung (Wer sich da nicht zu helfen weiß, der kippt doch sein Klo gleich ins Gebüsch…). Ach ja, und der Eintritt in den Zoo 135 NOK. Aber ich will endlich einen Elch sehen und den soll es hier geben. Und der Zoo hat bis 20 Uhr geöffnet und es ist erst kurz nach 18 Uhr. Also leiste ich die notwendigen Zahlungen, schultere die Kamera und mache mich auf den Weg. Alle Gehege sind in die Landschaft so hinein gebaut, wie sie vorgefunden wurde und auch recht groß. Das ist für die Tiere sicherlich schön, aber der Besucher hat es nicht leicht, gegen die tief stehende Sonne einen äsenden Elch im Birkenwald zu erkennen. Aber ich sehe immerhin meinen ersten Elch in Skandinavien.
Auch Braunbär und Rentiere sind nur aus der Ferne zu sehen, während Vielfraß…
…Hirsch und Moschusochse…
…nur ein paar Meter vom Zaun entfernt sind.
Aber Wolf, Dachs, Luchs und Fuchs haben sich anscheinend verkrümelt und sind nicht zu sehen. Leider sind die hohen Zäune in dem ansonsten hübsch angelegten Park doch sehr dominierend. Aber Wölfe und Bären sind ja auch keine Streicheltiere.
Ach ja, und vor dem Ausgang sitzt dann noch eine winzige Maus auf dem Weg und kaut an ihrem Abendbrot.
Auf dem Stellplatz komme ich mit Leuten aus Wolfenbüttel ins Gespräch, die am 1. Juli zu Hause losgefahren sind, schon am Nordkap waren und jetzt auf dem Rückweg sind. Jetzt ringe ich natürlich mit mir. Ich glaube nicht, daß das Nordkap landschaftlich ein unbedingtes Muß ist. Auch die Mitternachtssonne kann man zu dieser Zeit fast überall in Nordnorwegen sehen. Aber es ist immerhin der nördlichste Punkt in Europa, den man auf öffentlichen Straßen erreichen kann. Nun, und ein Dingsbums für die Kitschecke wird es dort wohl auch geben…
Außerdem habe ich dann einen guten Grund, um durch die einsame Finnmarksvidda und durch Schweden wieder zurück zu fahren.
Tromsö: Eismeerkthedrale, ein hölzerner Dom und Mitternachtsmusik
Freitag, den 12. Juli (34. Tag)
Auf der E6 und ab Nordkjosbotn der E8 geht es in zügiger Fahrt nach Tromsö, wo ich am frühen Nachmittag ankomme. Wenn man auf der E8 aus Richtung Süden kommt, kann man die Eismeerkathedraleschon aus der Ferne sehen und dies ist auch mein erstes Ziel.
Der Bau ist einfach und schlicht, aber dennoch raffiniert.
Im spitzen Winkel zueinander stehende Betonplatten bilden das Dach, das bis zum Boden reicht. An den beiden Enden des Kirchenschiffs sind die Betonplatten am höchsten und werden zur Mitte hin immer etwas kleiner, wodurch zwischen den Platten Zwischenräume entstehen, durch die Licht hereinkommt. An der Altarseite im Osten wird die abschließende Wand durch ein riesiges Mosaikfenster gebildet, das die dreieckige Wand komplett ausfüllt.
Die Westseite wird außen dominiert durch ein weißes Betonkreuz. Die Wand besteht ebenfalls aus Glas und gibt den Blick auf Tromsö und die Brücke dorthin frei. Am Ausgang sehe ich dann noch ein Plakat, welches Mitternachts-Sonnen-Konzerte in der Eismeerkathedrale an jedem Tag um 23:30 Uhr verspricht. 60 NOK Eintritt sind wohl nicht zuviel und ich beschließe, heute ein solches Konzert zu besuchen.
Vorher will ich aber noch zum Nordlichtplanetarium und auf dem hiesigen Campingplatz muß ich mich auch noch häuslich einrichten. Das Planetarium finde ich nicht, gerate jedoch beim Herumkurven in einen schier endlosen Tunnel, der anscheinend unter der Stadt hindurch führt. Und als ich an den ersten unterirdischen Kreisverkehr komme, wird mir klar, daß die gesamte Tromsöya von unterirdischen Straßen durchzogen sein muß. Ich folge den Schildern Richtung Zentrum, um mich dort umzusehen und vielleicht herauszufinden, wie man zum Planetarium kommt. Nach einem weiteren unterirdischen Kreisverkehr bin ich endlich wieder am Tageslicht, finde auch bald das Zentrum und einen Parkplatz. Nachdem der Parkscheinautomat gierig all mein Kleingeld geschluckt hat (immerhin 27 NOK), darf ich hier 1,5 Stunden parken.
In der Touristinformation erfahre ich dann, daß das Planetarium schon seit etwa einem Jahr geschlossen ist. Also mache ich mich, bewaffnet mit einem Stadtplan, auf um Tromsö in der verbleibenden Zeit zu erkunden.
Die Storegata ist die Flaniermeile und auch Fußgängerzone mit allerlei Freiluftdarbietungen, wie sie in allen Großstädten zu sehen sind. Einen Wochenmarkt gibt es auch und im Hafen liegt gerade das Hurtig-Schiff Polarlys. In der Nähe der Storegata steht die Domkirke, eine große, schöne Holzkirche.
Es ist erstaunlich, was mit diesem Werkstoff alles möglich ist.
Selbst hölzerne Fensterrosetten gibt es.
Laut meinem Tromsö-Informationsheftchen ist dies der nördlichste protestantische Dom der Welt. Da können die Katholiken natürlich nicht zurückstehen und haben nicht weit entfernt ihrerseits die nördlichste Bischofskirche der Welt.
Dann mache ich noch einen Versuch, eine Stelle zu finden, an der ich die Eismeerkathedrale mit der davor liegenden Brücke aufs Bild bannen kann. Das gelingt aber nur ansatzweise und jetzt wird es auch Zeit, zum Auto zurück zu kommen.
Der Campingplatz ist nicht weit von der Eismeerkathedrale entfernt, ziemlich gut belegt und mit 170 NOK ohne Strom auch nicht gerade billig. Da ich den ganzen Tag gefahren bin und die Batterie ziemlich voll ist, verzichte ich auf Strom und spare so die happige Pauschale von immerhin 30 NOK.
Das Geld investiere ich lieber in die 60 NOK für das Mitternachtssonnenkonzert. Ein Pianist und ein Flötist spielen klassische und moderne Stücke, manches klingt auch nach Jazz. Genau um Mitternacht wird das Licht gelöscht, aber die Sonne versteckt sich mal wieder hinter Mitternachtswolken, aus denen es auf dem Weg hierher auch schon etwas genieselt hat. Das tut aber der schönen Musik der beiden keinen Abbruch.
Über Alta zum Nordkap
Samstag, den 13. Juli (35. Tag)
Wenn ich schon in Tromsö bin, dann kann ich auch zum Nordkap. Ich fahre also auf der E8 wieder zurück und auf der E6 in Richtung Alta. Es geht am Lyngsfjord entlang und man sieht die Lyngsalpen, die allerdings meist die Gipfel in den Wolken verbergen.
Über einen Pass geht es an den Kvaenangen-Fjord. Jetzt tauchen die ersten Samischen Souvenirverkäufer an den Rastplätzen auf.
Bald erreiche ich den ersten Ausläufer des Altafjords und ca. 50 km vor Alta habe ich keine Lust mehr, weiterzufahren und richte mich auf einem Rastplatz häuslich ein.
Sonntag, den 14. Juli (36. Tag)
In Alta ist zunächst mal Tanken angesagt, bevor ich dann zum Alta-Museum komme. Für 70 NOK kann man hier 2000-6000 Jahre alte Felszeichnungen sehen…
…und eine Ausstellung zur jüngeren Geschichte der Finnmark. Prägend in dieser war sicherlich der Rückzug der deutschen Wehrmacht 1944-45. Hier wurde die Taktik der verbrannten Erde konsequent umgesetzt. In Alta blieb nur die Kirche stehen und der Ort wurde nach dem Krieg ganz neu wieder aufgebaut.
Weil ich zur Mittagszeit im Museum war, habe ich jetzt Hunger, es ist immerhin schon nach 14 Uhr. Auf einem Parkplatz will ich eine der gestern gekauften Tüten „Pastarett med Ostesaus“, also Nudeln mit Käsesoße aufkochen. Aber die Portion ist für einen Liter Flüssigkeit und das paßt nicht in meinen Topf. Ich versuche den Inhalt der Tüte aufzuteilen, aber das führt zu einer Portion mit vielen Nudeln und dünner Soße, sowie einer anderen Portion mit ein paar Nudeln und zu dicker Soße. Schließlich landet der Inhalt der Tüte im Müll und das Wasser mit H-Milch im Ausguß. Drei Scheiben Brot retten mich endlich.
Frisch gestärkt fahre ich weiter. Hinter Alta geht es ins Binnenland. An der Straße stehen Schilder „350m über dem Meer“ oder „235 m über dem Meer“, aber hier „oben“ sieht es aus, wie in den Alpen weit jenseits der Baumgrenze: Nur Gräser, Moose und Flechten.
Jetzt sitzen an fast jedem Rastplatz Samen und verkaufen Rentierfelle. Ich werde mir diese Stände erst auf dem Rückweg genauer ansehen, denn Bargeld ist auch etwas knapp und ich muß noch einen Tunnel und den Eintritt zum Nordkap bezahlen. Unterbrochen durch eine Kaffeepause geht es jetzt bis zum Nordkap voran. Der Skarvberg-Tunnel, noch weit vor Mageröya, erweist sch als recht abenteuerlich. Vor allem die Ein- und Ausfahrten sind eng und dazu noch in der Kurve angelegt, so daß die immer häufiger auftretenden Reisebusse schon zirkeln müssen. Der Tunnel selbst ist fast 3 km lang, holprig und schlecht beleuchtet. Die E6 verläuft hier, mit Ausnahme dieses und ein paar kleinerer Tunnel immer dicht am Ufer des Porsangen-Fjord.
Schließlich erreiche ich den Nordkapp-Tunnel. Dieser ist ungleich besser ausgebaut., als der Skarvberg-Tunnel zuvor und führt mit 9% Gefälle bzw. Steigung unter dem Meer nach Mageröy. Am Kassenhäuschen werde ich um 135 NOK erleichtert und bin froh, kein Dickschiff zu besitzen, denn Autos über 6m Länge zahlen mit 450 NOK mehr als das Dreifache. Update: Seit Juli 2012 ist der Nordkapptunnel „abbezahlt“ und kann kostenlos befahren werden. Ich kann jetzt sagen, auch dazu beigetragen zu haben.
Mageröya ist weitgehend baumlos. Die Straße windet sich über Hügel durch eine tundraartige Landschaft.
Die Reisebusdichte hat inzwischen erheblich zugenommen.
Am Nordkap selbst sind nochmal 185 NOK Eintritt fällig, dafür gilt das Ticket aber zwei Tage. So gesehen ist es dann wieder günstiger als der bisher günstigste Campingplatz. Der Parkplatz sieht aus wie eine Reisemobil-Ausstellung. Ich finde ein Plätzchen am Rande und mache mich auf ins Nordkap-Touristen-Zentrum. Von wegen, das Nordkap ist nur ein Felsen im Nebel. Hier gibt es eine Bar, Restaurants, einen Souvenirshop, ein Postamt und alles was der Tourist so brauchen soll. Für Hochzeitspaare gibt es sogar eine Suite zu mieten. Näheres an der Information…
Hinter dem Touristenzentrum steht dann der weltbekannte Stahlglobus.
Hier wechseln sich die Busgruppen beim Erklimmen des Sockels ab und man läuft ständig Gefahr, in ein gestelltes Foto fürs Familienalbum hinein zu geraten.
Nach einer Elchwurst, die ich an der Grottenbar erwerbe, setze ich mich ins Restaurant mit einem Lachsbrot und einer Flasche Mack-Öl, Bier aus der nördlichsten Brauerei der Welt in Tromsö. Zwischen zwei Blicken aus dem Fenster zieht draußen dichter Nebel auf, der nur noch 50-100m Sicht erlaubt. Auch auf dem Weg zum Parkplatz liegt Nebel, so daß zeitweise das Auto nicht zu sehen ist, obwohl es nur ein paar Meter entfernt ist. Auch während ich dies schreibe, ist es immer noch neblig, allerdings sind inzwischen (es ist jetzt 23 Uhr) einige dutzend Reisebusse angekommen. Die Mitternachtssonne, so sie denn zu sehen sein wird, werden die Leute wohl umschichtig ansehen müssen.
Ich kann ja nicht sagen, bisher noch keine Mitternachtssonne gesehen zu haben. Soll doch der Normaltourist glauben, die gäbe es nur am Nordkap…
Um 23:15 mache ich mich nochmal auf zum Globus. Hier ist inzwischen wesentlich mehr Betrieb, aber immer noch Nebel.
Da ist es viel interessanter, die Leute zu beobachten, die aus aller Herren Länder hierher gekommen sind.
Da läuft eine alte Frau herum und räsonniert dabei auf schwyzerdütsch. Mit ihrem blauen Regenmantel und ihrer karierten Einkaufstasche sieht sie aus, als ginge sie in irgendeinem Schweizer Dorf einkaufen. Dann klopft sie noch mit ihrem Stock das Gerüst des Globus ab… ja, tatsächlich alles aus Stahl… und stapft wieder davon.
Ein Holländer versucht verzweifelt ein scharfes Foto von dem uns umgebenden Nebel hin zu bekommen. Als es auch mit dem Blitz nicht klappt, gibt er schließlich entnervt auf.
Natürlich muß jeder einmal auf den Sockel des Globus steigen, was eigentlich verboten ist. Inkonsequenterweise gibt es dennoch Stufen.
Einige Reisegruppen trinken um Mitternacht ein Glas Sekt, auch dies ist in Norwegen eigentlich nicht erlaubt. Alkohol darf in der Öffentlichkeit nicht verzehrt werden. Aber wenn der Sekt vorher an der Grottenbar geordert wurde, kann man wohl noch ein Auge zudrücken.
Da keine Wetterbesserung in Sicht und es ziemlich kalt ist, gehe ich wieder zurück zum Parkplatz und mache noch eine Runde durch das hier versammelte rollende Dorf. Es stehen jede Menge Großserienmobile herum, kaum Individualausbauten oder Kastenwagen. Das interessanteste Auto, ein Allrad-Iveco mit Seilwinde und allen Schikanen, kommt aus Frankreich.
Auch scheinen die alleinreisenden Wohnmobilisten vom Aussterben bedroht. Auf dieser Reise habe ich bisher nur Paare, meist im Rentenalter oder kurz davor, in den Autos sitzen sehen. Ich muß wohl doch mal wieder zum Single-Treffen…
Draußen grummeln die Motoren der letzten Reisebusse, weshalb an Schlaf noch nicht zu denken ist. Aber um ein Uhr ist der ganze Spuk schon wieder vorbei.
Es ist immer noch Nebel und auch die beiden Schweizer neben mir haben sich in ihrem Club-Joker mit Aufstelldach zur Ruhe begeben.
Der letzte Fjord und weiter zu den Samen
Montag, den 15. Juli (37. Tag)
Der Nebel liegt noch immer über dem Nordkap und es sieht auch nicht nach einer baldigen Wetterbesserung aus. Da ich etwas besseres zu tun habe, als hier in der Kälte auf das Verschwinden des Nebels zu warten, sehe ich mir noch den Videofilm an, der stündlich gezeigt wird. Hier bewegt sich das Filmteam zu Wasser, zu Land und in der Luft rund um das Nordkap und zeigt dabei sehr schöne Aufnahmen auf einer Panorama-Projektion.
Danach mache ich mich davon. Hinter der Zahlstelle muß ich bemerken, daß der Nebel nur über dem Nordkap liegt. Auf der übrigen Insel Mageröya ist gutes Wetter! Ausgerechnet der Platz, wo man für die Betrachtung der Mitternachtssonne zahlt, scheint ein Nebelloch zu sein. Nach diesem Erlebnis würde ich mich auch der Fraktion zurechnen, die der Meinung ist, allein für das Nordkap lohne der weite Weg nicht. Aber ich war jetzt auch da und kann wenigstens mitreden.
Bei einem kurzen Abstecher nach Skagsvag, dem nördlichsten Fischerdorf der Welt, sichte ich noch aus der Ferne einen hornförmigen Felsen, der auch in dem Video zu sehen war.
Dann geht es flott auf der E69 zurück nach Olderfjord. Allzu flott sollte man es aber nicht angehen lassen, denn ganz Mageröya ist Rentierzuchtgebiet und die Tiere stehen oft unmittelbar neben oder sogar auf der Straße und trotten erst dann gemütlich zur Seite, wenn ihnen klar wird, daß sie im Weg herumstehen.
Im Skarvberg-Tunnel kommt jetzt zu allem bereits beschriebenen Ungemach auch noch eine Baustelle, aber auch diese Klippe kann ich umschiffen.
Bei Olderfjord stoße ich wieder auf die E6, die hier ziemlich genau in Richtung Süden führt. Es geht immer am Porsangen-Fjord entlang. Stellenweise sind sogar richtig große Nadel- und Laubbäume zu sehen und die Tundra, wie sie noch auf Mageröya vorgeherrscht hat, ist bereits wieder den bekannten Birkenwäldchen gewichen.
Bei Lakselv ist der Porsangen-Fjord zu Ende und dies ist auch mein letzter Blick auf einen Fjord, denn jetzt geht es durch die Finnmarksvidda.
Offenes Wasser werde ich erst wieder an der Ostsee im Bereich der schwedisch-finnischen Grenze sehen.
Die großen Bäume verschwinden wieder, wohl weil der mäßigende Einfluß des Meeres auf das Klima fehlt, und auch die Birkenwäldchen werden niedriger, durch welche die E6 jetzt fast schnurgerade hindurchführt.
Einige Kilometer vor Karasjok richte ich mich an einem See zum Übernachten ein. Wären die umgebenden Wälder noch etwas niedriger, könnte man hier auch wieder die Mitternachtssonne sehen. Wer braucht da ein Nordkap ?
Dienstag, den 16. Juli (38. Tag)
In Karasjok gibt es ein samisches Museum und das will ich mir ansehen. Aber auch hier das gleiche Bild: Mit einem dürren, deutschen Begleitheftchen bewaffnet, steht man vor einem Schaukasten, sieht eine Axt und erfährt aus dem Heftchen, daß dies eine Axt ist. Es gibt also samische Werkzeuge und Hausrat aus verschiedenen Epochen zu sehen, wobei die samische Eisenzeit erst um ca. 1500 nach Christus zu Ende ging.
Und auch die Rentierzucht betreiben sie noch nicht so lange. Früher haben sie wilde Rentiere gejagt, oft mit raffinierten Fallgruben, in die ganze Herden hineingetrieben wurden.
Im Freigelände sind dann noch einige Hütten und Zelte aufgebaut. Insgesamt waren die Samen besser untergebracht, als manch ein Fischer auf den Lofoten.
Hinter Karasjok mache ich Mittagspause an einem Rastplatz, von dem auch ein Wanderweg in die Finnmarksvidda führt. Das Schild macht Mut, es ist die Rede von einer Strecke von 2,5 km und einem leicht zu begehenden Weg. Da ich mal wieder etwas Bewegung gebrauchen kann, schnüre ich mein Bündel und trabe los.
Am Weg stehen immer wieder Tafeln mit Erklärungen der Tiere und Pflanzen, leider meist nur auf Norwegisch. Aber ich erfahre immerhin, daß die recht großen Nadelbäume um mich herum Föhren sind und daß es hier außer Elchen auch noch Schwarzspechte, Eichhörnchen und Hasen gibt. Von denen sehe ich natürlich nichts, aber der Weg ist trotzdem schön. Man kann tatsächlich den Blick vom Boden heben und liegt nicht gleich auf der Nase. Zunächst geht es hoch am Flußufer entlang und dann durch lichten Föhren- und Birkenwald. Der Weg endet an einem kleinen Wasserfall, den ich eher Stromschnelle nennen würde.
Nach einer kurzen Rast kehre ich wieder um und fahre weiter. Die Straße Nr. 92 führt mich nach Kautokeino. Wo gestern noch Berge am Horizont zu sehen waren, sind heute nur Hügel und auch die Föhren verschwinden bald wieder. Niedrige Birkenwälder soweit das Auge reicht.
Die Straße überquert den Alta-Kautokeino-Fluß, in welchem bei Alta 1980 ein großes Wasserkraftwerk gebaut wurde, um das es eine Menge Auseinandersetzungen mit den Samen gegeben hat.
In Kautokeino wird als Hauptsehenswürdigkeit eine Silberschmiede angepriesen, was mich aber nicht so interessiert. Auch auf noch ein samisches Museum habe ich heute keine Lust. So gehe ich nochmal mit Norwegischen Kronen einkaufen, denn von hier geht es nur noch nach Finnland, und finde dann einen Platz neben der Straße südlich von Kautokeino.
Ein kleines Stück Finnland, der Polarkreis und die Ostsee
Mittwoch, den 17. Juli (39.Tag)
Nach ein paar Kilometern bin ich an der finnischen Grenze. Für meine restlichen 129,50 NOK erwerbe ich beim letzten Sami-Souvenir-Stand in Norwegen noch eine Rentierfellmütze und überquere völlig unbehelligt eine EU-Aussengrenze. Ich hätte ja auch sonstwer sein können…
Finnische Ortsnamen sind schier unaussprechlich und andere Schilder geben auch nicht unbedingt Aufschluß über ihre Bedeutung. Aber ein Grill-Kiosk ist immerhin ein „Grillikioski“. Ich erreiche die E8 und halte mich in Richtung Südost. Vor Muonio hält noch eine Gruppe Rentiere auf der Straße den Verkehr auf…
…dann wechsle ich hinüber auf die schwedische Seite des Grenzflusses Tornearven. Auch hier keinerlei Kontrollen.
Ich fahre jetzt auf der einsamen Straße 99 entlang des Tornearven. Da hier wenig Verkehr ist und die Straße auch recht wellig ist, ignoriere ich die erlaubten 90 km/h und trödele unter Ausnutzung des Tempomaten mit 60 dahin. Es geht durch Wald. Wald, Wald, immer nur Wald. Gelegentlich ein See, mal ein Fluß, hier und da ein rot-weißes Holzhäuschen und eine kleine Siedlung, aber sonst nur Wald, meist Tannen und Birken und keine mickrigen Bäumchen, sondern ausgewachsene Exemplare.
Die Straße wird schlechter und wieder besser, aber der Wald ist immer gleich. Um ca. 17:20 Uhr passiere ich bei Juoksengi den Polarkreis.
Hier haben die Schweden eine mehrsprachige Informationstafel aufgebaut, auf der ich erfahre, daß sich der Polarkreis, bedingt durch unterschiedliche Neigung der Erdachse, innerhalb von mehreren tausend Jahren in einem Bereich von 180 km verschiebt.
Vor Haparanda an der Ostsee weicht der Wald schließlich mehr und mehr der Landwirtschaft, Ich biege auf die E4 ab und steuere dann die Insel Seskarön an. Hier finde ich einen Übernachtungsplatz am alten Fähranleger, welcher durch die ein paar hundert Meter entfernte Brücke überflüssig wurde. Ein Schwede mit Hund und Wohnwagen kampiert schon hier und kriegt laufend Besuch, über See und zu Lande.
Entlang der Ostsee zum Siljan-See
Donnerstag, den 18. Juli (40. Tag)
Ich fahre wieder zur E4. Leider ist von der Straße aus die Ostsee nur selten kurz zu sehen und auch sonst ist die Strecke nicht interessant. Mittags lockt mich ein Schild „Gammelstad“ von der Straße herunter. Ich lande in einem Ort mit ganz vielen, winzig kleinen rotbraun gestrichenen Holzhäuschen und einer großen Steinkirche.
Die meisten Häuschen haben nur einen Raum, sehen aber auch nicht ärmlich aus.
Nach einem Mittagessen im ehemaligen Gemeindehaus und der Besichtigung der Kirche erfahre ich dann, daß Gammelstad eine der letzten erhaltenen Kirchstädte ist. Die Häuschen in diesen Kirchstädten dienten nur zum Übernachten während Kirchenfesten, Märkten oder anderen Veranstaltungen, zu denen die weit verstreut lebende Landbevölkerung hierher zusammenkam.
Von den einst mehreren hundert Kirchenstädten in Nordskandinavien sind nur 16 erhalten geblieben und Gammelstad ist davon die größte und steht wohl auch deshalb auf der Liste des UNESCO-Weltkulturerbes. Heute sind die Häuschen zum größten Teil in Privatbesitz und werden vermutlich als Ferienwohnung benutzt.
Ich mache mich wieder davon, um auf der E4 noch einige Kilometer abzuspulen. Irgendwann zwischen Drei und Vier Uhr packt mich plötzlich die Müdigkeit. Also auf den nächsten Parkplatz und ab in die Heia.
Trotz des Verkehrslärms habe ich tatsächlich eine Stunde geschlafen und fahre nach einer Tasse stärksten Kaffees wieder weiter.
Die Strecke ist langweilig, aber man kommt flott voran. Und alle Straßen ins Landesinnere führen von hier nach Nordwesten und ich müßte in den Südwesten. Also bleibe ich auch weiter auf der E4. Mit Hilfe des Tempomaten komme ich flott, aber ohne Stress bis hinter Umea voran und entscheide mich schließlich, bei Rönnholm in Richtung Ostsee abzubiegen. Hier finde ich zwar nicht den erhofften Campingplatz am Meer, aber einen ruhigen Platz im Wald an einer schwach befahrenen Straße.
Freitag, den 19. Juli (41. Tag)
Und weiter geht es auf der E4. Aber hinter Örnskjöldsvik finde ich schließlich passende Straßen, die mich zunächst westlich ins Landesinnere bringen. Es geht durch Wald. Hin und wieder blinkt mal ein See zwischen den Bäumen auf, dann und wann wird ein Fluß überquert, aber überall ist Wald.
Ich übernachte schließlich neben der Straße 323, natürlich im Wald, kurz vor der Ortschaft Bräcke. Hin und wieder ist hier die Eisenbahn zu hören, da in der Nähe eine Strecke vorbei führt.
Samstag, den 20. Juli (42. Tag)
Über Nebenstraßen, wobei ich die „gelben“ eindeutig bevorzuge, geht es jetzt vornehmlich in Richtung Süden. Da jedoch die Hauptverkehrsstraßen immer noch von Nordwest nach Südost verlaufen, erfordert es einige Kurverei, um in der gewünschten Richtung voran zu kommen.
Landschaftlich hat sich nichts geändert: Noch immer Wald, in dem jetzt vermehrt bemooste Findlinge herumliegen, Seen und Flüsse. Dazwischen immer wieder Dörfer aus fast schon einheitlich rotbraun gestrichenen Holzhäusern mit weißen Fenstern und Türen.
Im Wald sind immer wieder Schneisen, in denen nur noch einzelne Bäume stehen. Aber herausgerissene Wurzeln und gebrochene Stämme deuten eher auf Sturmschäden hin, als auf Kahlschläge für Ikea-Möbel oder die deutsche Bild-Zeitung. Natürlich liegen trotzdem eine Menge Stämme transportfertig an der Straße.
Schließlich erreiche ich mit dem Siljan-See mein heutiges Ziel und finde dort auch einen Campingplatz, um den Wasserhaushalt wieder in Ordnung zu bringen. Dies scheint auch ein beliebtes Ziel der Schweden zu sein, denn der Platz ist so voll, daß schon keine freie Steckdose für den Stromanschluß mehr verfügbar ist.
Zum Wetter ist zu sagen, daß es, je mehr ich nach Süden vorankomme, immer häufiger regnet. Allerdings erwische ich eine trockene Phase und kann auf dem Campingplatz im Liegestuhl vor dem Auto sitzen bleiben, bis die Sonne dramatisch hinter einer vorgelagerten Insel verschwindet.
Der erste wirkliche Sonnenuntergang seit gut einem Monat. Jetzt wird es Nachts auch schon so dunkel, daß ich ohne Licht zu machen im Auto nicht mehr zu Recht komme. Allerdings wird der Himmel noch nicht wirklich schwarz.
Eisenbahnmuseum Grängesberg, Götakanal und ab nach Hause
Sonntag, den 21. Juli (43. Tag)
Weiter geht es in Richtung Örebro mit Ziel Götakanal. In Grängesberg lockt mich aber zunächst ein Hinweis auf ein Eisenbahnmuseum von der Straße. Hier sind Fahrzeuge einer privaten Bahn ausgestellt, die seit dem späten 19. Jahrhundert die Strecke Grängesberg-Oxelösund betreibt. Neben dem Transport des Erzes aus Grängesberg zum Hafen in Oxelösund wurde hier auch Personenverkehr abgewickelt. Es sind eine Reihe Dampfloks zu sehen, darunter die zwei einzigen noch existierenden Dampfturbinenloks der Welt…
…und hübsche, ganz aus Holz gebaute vierachsige Personenwagen.
Als ich das Museum verlasse, kommt gerade ein Taxi aus dem 200-300km entfernten Oslo an und zwei, vielleicht zehnjährige, Kinder steigen aus. Hier wußte wohl ein norwegischer Ölmillionär nicht, wie er seine Kinder beschäftigen sollte…
Über die Landschaft und das Wetter ist nicht viel Neues zu berichten: Regen im Wald, und die Schweden gucken aus ihren rotbraunen Holzhäuschen zu.
Wo geht es eigentlich nach Lönneberga oder Bullerbü? Wohnt hier irgendwo Pippi Langstrumpf oder Karlsson vom Dach?
Nach etwas Herumsuchen finde ich schließlich auch den Götakanal und übernachte auf einem Parkplatz an der Brücke von Tatorp, der einzigen Klappbrücke am Kanal.
Diese Brücke hat auch eine etwas ungewöhnliche Geschichte: Bis 1933 gab es hier eine Fähre, welche die Einwohner von Tatorp über den wenig Meter breiten Kanal gesetzt hat. Diese wurde dann eingestellt und der Verkehr lief nur über die schmalen Stege auf den Schleusentoren, wenn diese geschlossen waren. Nach 20 Jahren hatten die Leute davon die Nase voll und haben sich auf eigene Kosten, ohne Rücksprache mit der Kanalgesellschaft, diese Brücke von einer westdeutschen Firma bauen lassen.
Hier ist es zum ersten Mal wieder „richtig“ dunkel. Irgendwie schade, denn an die Vorzüge eines ewigen Tages hatte ich mich bald gewöhnt. Und gegen die Sonne kann man ja alles verdunkeln. Aber gegen Dunkelheit hilft nur künstliches Licht und das kostet wertvollen Strom aus der Bordbatterie.
Zum Ausgleich dafür zirpen Grillen und dabei fällt mir auf, daß dieses Geräusch des Sommers oben im Norden nicht zu hören war. In der Nacht gibt es dann noch ein heftiges Gewitter, so daß der Schlaf eher dürftig ausfällt.
Montag, den 22. Juli (44.Tag)
Aber das Gewitter hat für besseres Wetter gesorgt. Es ist so gut, daß ich draußen frühstücken kann und mich zu einer kleinen Radtour entlang des Göta-Kanals entschließe.
Während des Frühstücks bimmelt es plötzlich von der Brücke her. Da muß ich als neugieriger Mensch natürlich alles stehen und liegen lassen und erstmal nachsehen. Und tatsächlich, ein paar Boote liegen im Schleusenbecken zur Ausfahrt in den kleinen See bereit, der hier beginnt. Die Brücke stellt sich gerade senkrecht…
…und ein Mann kurbelt. mit einer Art Gangspill die Schleusentore auf.
Dies ist immerhin die einzige handbediente Schleuse am Kanal.
Mein Frühstück wird auf diese Weise noch einige Male unterbrochen, denn es herrscht reger Betrieb. Mit der „Juno“ wird sogar ein ausgewachsenes Ausflugsschiff durchgeschleust, das gerade noch in die Schleusenkammer paßt.
Die Hubhöhe der Schleuse ist mit 20 cm eigentlich nicht der Rede wert, aber sie hat Wasserstandsregulierende Funktion für den gesamten Kanal, wie ich einer Informationstafel entnehme.
Als ich meinen rollenden Haushalt endlich soweit habe, daß ich losradeln kann, sind schon wieder dicke Wolken im Anmarsch, aber ich breche trotzdem auf. Es geht immer am Ufer entlang, vorbei an jenem Obelisken, der an der höchsten Stelle des Kanals steht, bei immerhin 91,5m über dem Meer. Auch geht es vorbei an mehreren Brücken, meist Rollbrücken, die in Richtung der Straße verschoben werden, wenn ein Schiff passieren soll. Als der Weg nach ca. 7-8 km den Kanal verläßt und auf der Straße weiterführt, kündigt sich auch Regen an. Dies ist für mich Grund genug, wieder umzukehren, denn ich wollte ja am Kanal entlang radeln und nicht auf irgendeiner Straße.
Es bleibt bei leichtem Nieselregen, bis ich wieder am Auto bin, so daß ich diesmal nur naßgeschwitzt, aber nicht vom Regen durchweicht bin.
Ich fahre wieder zurück zum Vättern-See und auf der Straße 195 an dessen Westufer entlang in Richtung Süden. Bei Jönköping biege ich auf die Straße 26 Richtung Halmstad ab, wo ich auf die E6 treffen werde und damit den Kreis dieser Nordlandreise schließe. Obwohl ich mich exakt an das Tempolimit von 90 oder 110 km/h halte, hält es keiner der Saab- und Volvo-Fahrer lange hinter mir aus. Dabei geht es kaum gleichmäßiger als mit dem Tempomaten. Aber vielleicht ist es auch gerade dieses Gleichmaß, welches die Leute nervt. Ich müßte mal hinter mir herfahren, um endlich dahinter zu kommen…
An der E6 angekommen, die hier wieder als Autobahn ausgebaut ist, biege ich in Richtung Malmö ab und will bei Ängelholm auf der dortigen Halbinsel ein Übernachtungsplätzchen suchen.
Kurz vor Ängelholm rütteln plötzlich Stumböen am Auto und vor mir baut sich eine graue Wolkenwand auf. Ich folge trotzdem meinem Plan und finde schließlich in Höganäs einen windgeschützten Platz in Strandnähe.
Um die tosenden Elemente zu erleben, mache ich gleich nach der Ankunft einen längeren Spaziergang am Ufer des aufgewühlten Öresund entlang. Es spritzt schon hin und wieder Gischt ins Ohr und man muß sich kräftig gegen den Wind stemmen. Aber da in den Gärten noch alle Liegestühle und Tische an Ort und Stelle sind, tippe ich mal auf Windstärke 8-9.
Im Auto ist das Rauschen des Windes in den Bäumen und die nahe Brandung des Meeres zu hören, aber es schwankt wenigstens nicht.
Dienstag, den 23. Juli (45. Tag)
Auf der Autobahn geht es durch Schweden und Dänemark wieder zurück, so daß ich kurz nach 18 Uhr nach rund 10.000 Kilometern wieder in Lübeck bin.
Übernachtungsstatistik Skandinavien 2002:
1 Nacht auf dänischem Boden, davon
Freistehen: 1
38 Nächte auf norwegischem Boden, davon
Freistehen: 22
Stellplatz / kostenpflichtiger Parkplatz: 9
Campingplatz: 7
6 Nächte auf schwedischem Boden, davon
Freistehen: 5
Stellplatz / kostenpflichtiger Parkplatz:
Campingplatz: 1
(c) Henning Schünke
Moin, moin, Henning,
Dein Reisebericht hat mich mal wieder motiviert.
Wie sieht es aus, wir waren beide lange nicht im richtigen Norden.
Nach der Kieler Woche werde ich wohl durchstarten und am Geiranger Schiffe in den Bergen schauen.
Gruß Ernst
Moin Ernst,
für dieses Jahr hab ich mir nochmal Deutschland vorgenommen. Die alte Heimat ab Ende Juni, Mitte August Harz und dann durch Hessen und Thüringen in Ruhe zurück nach Bayern, dort TÜV und ab nach Italien.
Gruß
Henning
Zwar ein etwas älterer Reisebericht.
Gerne jedoch würde ich diese interessant beschriebene Route nachfahren und denke, dass ich das vielleicht im kommenden Jahr 2016 realisieren könnte.