Hallo zusammen,
nein, eigentlich wird Nichts akut vermisst. Aber das war die Frage eines Leser per E-Mail vor ein paar Tagen: Vermisst Du persönlich Nichts?
Beginnen wir mit den eher materiellen Dingen. Was hatte ich denn in der Wohnung, das ich jetzt nicht mehr habe? In alphabetischer Reihenfolge:
Backofen
Oft benutzt, aber alles was ich da drin gemacht habe, geht auch in der Pfanne auf dem Gasherd.
Badewanne
Vielleicht ein, zwei Mal im Jahr wirklich für ein Vollbad benutzt, sonst zum Duschen und das geht jetzt besser, als sitzend in der Badewanne.
Balkon
Oft benutzt, habe ich ja immer noch, nur nicht mehr so hoch, dafür mit wechselnder Aussicht.
DSL-Anschluss
Okay, 1:0 für das Steinhaus, so ein gedrosselter Surfstick schon am 20. des Monats ist doof. Aber das ist alles eine Frage des Geldes und des Mobilfunkvertrags.
Gefrierschrank
Da war viel „kann man ja mal mitnehmen“-Zeugs drin, sowie etwas Alkohol und Tiefkühlpizzen. Um das alles ist es nicht schade, mit kleinerem Kühlschrank passe ich besser auf beim Einkaufen und nehme nur das mit, was auch gebraucht wird.
Kabel-Radio
Einschalten und das Radio erzählt mir was, meistens der Deutschlandfunk, das war nicht schlecht. Radio geht jetzt natürlich auch, aber nicht immer in der gleichen Qualität und nicht auf Knopfdruck mit gespeicherten Sendern.
Kabel-TV
Weg damit!
Platz (90qm)
Drinnen sind es etwa 14 qm, inklusive Bett, ohne Garage und Fahrerhaus, draußen unendlich viel. Dafür sind drinnen die Wege sehr viel kürzer und der Haushalt ist überschaubar.
PKW
Auch „Kleinwagen“ genannt. Nein, so etwas habe ich seit 1992 nicht mehr.
Spülmaschine
Keine Spülmaschine heißt fast täglich einmal abwaschen. Da gibt es verschiedene Philosophien, aber weil es ja doch bei einigen Teilen gründlich mit heißem Wasser geschehen muss, bin ich eher der Anhänger einer einmaligen, größeren Abwäsche. Nein, ihr könnt euer schmutziges Geschirr NICHT vorbei bringen!
Trockner
Siehe bei Waschmaschine.
Waschmaschine
Bei der Wäsche halte ich es ähnlich, wie beim Geschirr: Einmal alles, dann ist es erledigt. Was ich in den Schränken habe, reicht für etwa vier Wochen. Dann steuere ich einen Campingplatz oder einen Stellplatz mit Waschmöglichkeit an und erledige das in zwei bis drei Tagen, während denen ich es mir auf dem Platz auch gemütlich mache. In Waschcenter bringen mich keine zehn Pferde mehr rein, das durfte ich in den ersten Jahren in München „genießen“. Nie wieder!
Bei der Möglichkeit auf dem Stellplatz zu waschen, ist es für mich fast wie mit der Waschmaschine in der Wohnung. Man könnte jetzt sicher Rechnungen anstellen, wann ich mir von den Gebühren eine kleine Waschmaschine kaufen könnte. Aber das ist müßig. Die muss irgendwo stehen, hat Gewicht und ist eben klein, das heißt, ich bin dauernd mit Waschen beschäftigt. Getrocknet ist dann auch noch nichts, das hängt auch tagelang irgendwo herum. So ist das für mich nach zwei bis drei Tagen erledigt.
Bei den materiellen Dingen wäre das ein ganzer Minuspunkt für den DSL-Anschluss und zwei halbe Minuspunkte für das Radio und die Spülmaschine.
Die immateriellen Dinge erfordern wohl, dass ich etwas weiter aushole. Aber auch hier wieder in alphabetischer Reihenfolge:
Freunde
Meine Lübecker Freunde habe ich ja in den letzten zwei Jahrzehnten immer nur sporadisch gesehen. Dieses Schicksal droht jetzt auch den bayrischen Freunden. Aber ich bin nach wie vor nicht aus der Welt. Manche anderen Freunde habe ich in dieser Zeit öfter als früher gesehen und viele andere dazu gewonnen.
Heimat
Das war schon in der Zeit in Bayern nicht so einfach. Auf die Frage: „Wo kommen Sie denn her?“ habe ich immer zu gewaltigen Erklärungsorgien ausgeholt, weil ja die eher norddeutsche Sprechweise so gar nicht zu einem bayrischen Autokennzeichen passen wollte. Inzwischen bin ich versucht, auf diese Frage mit dem zuletzt verlassenen Ort zu antworten.
Natürlich, wenn ich morgens aus dem Fenster gucke, ist da nicht die vertraute Umgebung, in der ich seit x Jahren wohne. Dann ist da mal ein Stellplatz, mal der Rhein, mal ein Campingplatz am See. Aber genau das wollte ich ja haben. Letztendlich ist Lübeck meine Heimat, aber dort wo ich gerade bin, ist Zuhause, solange das Wohnmobil dort steht.
Nachbarn
Ich hatte wirklich nette Nachbarn in Unterschleißheim. Aber auch die sind nicht aus der Welt, wir halten immer noch ein Schwätzchen im Treppenhaus, wenn ich nach meinem Keller sehe.
Auf dem Stellplatz habe ich täglich wechselnde Nachbarn. Nun bin ich nicht der Typ, der jeden anquatscht. Ich sage Hallo und Antworte natürlich, wenn ich angesprochen werde, aber einfach so Small-Talk, das kriege ich nicht hin. Sonst hätte ich bestimmt jeden Tag neue Nachbarn zum Reden. Doch es tauchen immer wieder bekannte Wohnmobilbewohner in der Nachbarschaft auf. Die Wochen am Rhein in Leopoldshafen waren in dieser Hinsicht einfach toll. Immer wieder neue Leute in unserer Kommune.
Damit habe ich die Dinge aufgezählt, die aus meiner Sicht „weg“ oder zumindest „anders“ sind, wenn man nichtsesshaft im Wohnmobil lebt. Natürlich redet sich jeder das schön, was er gerade tut, aber ich wollte gerade das so gut es geht vermeiden. Also es bleibt auch jetzt bei der fehlenden Spülmaschine, dem fehlenden schnellen Internet und dem wechselhaften Radioprogramm.
Nicht wirklich weltbewegend, wenn ich sehe, was ich gewonnen habe, wieder in alphabetischer Reihenfolge:
Gesundheit
Insgesamt geht es mir sehr viel besser, als noch in den Jahren im Steinhaus und besonders zu der Zeit, als ich noch Vollzeit gearbeitet habe. In einem Jahr gerade mal ein Schnupfen ist doch ein gutes Zeichen.
Selbstbestimmtheit
Vielleicht ein anderes Wort für Freiheit. Aber das ist es letztendlich: Niemand sagt mir, was ich zu tun habe und welches Gesicht ich dabei zu machen habe. Ich kann etwas tun oder auch lassen, ganz wie ich will. Das sollte ich mir nur öfter wieder bewusst machen…
Statt irgendwelcher Angebersprüche hinten aufs Wohnmobil wie “Wir verjubeln das Erbe unserer Kinder!“ oder „Zum Arbeiten zu alt, zum Sterben zu jung, zum Reisen topfit!“ werde ich wahrscheinlich mal hinten drauf schreiben:
EINEN DRECK MUSS ICH…!
Einfach, weil es stimmt.
Zeit
Ja, ich habe Zeit, viel Zeit. Ich muss meine Termine nicht mehr nach Stunden oder gar Minuten takten. Ich kann mir für den einen Tag dies und für den nächsten Tag das vornehmen und in der nächsten Woche irgendwann etwas anderes. Trotzdem gibt es Zeitfresser. Fernsehen fällt zum Glück als solcher aus, meistens zumindest. Aber das Internet. Da passiert ja doch dauernd irgendetwas, das man verpassen könnte. Und so sitze ich vor irgendwelchen Foren oder vor Facebook. Aber, siehe oben, ich muss ja nicht. Es hilft, sich das alles zu vergegenwärtigen. Dieser Blog ist eine tolle Beschäftigung, aber ich werde mir auch andere Dinge suchen als Beschäftigung. Davon wird sicher hier zu lesen sein.
Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage: Vermisse ich persönlich irgendetwas?
Ja, meine Spülmaschine, schnelles Internet und ein gutes Radioprogramm. Aber das wird durch die gewonnene Zeit, Wohlbefinden und Unabhängigkeit mehr als kompensiert.
Gruß
Henning
Wenn dein Mobilfunk Traffic am 20zigsten des Monats gedrosselt wird, wieviel MB hast du dann verbraucht?
Würd mich mal interssieren, ich kann das schlecht abschätzen, da ich am Festnetz heute 50 GB Traffic hab.
Letzten Monat (Oktober) waren es 30GB.
Hatte mir die Tage die Wikipedia Offline als *.zim mit 17 GB fürs Galaxy Note 3 gezogen. Und das treibt den Traffic.
Danke für die Info.
Bernd
Ich hab 3GB frei bis zur Drosselung. Hab zu viele Videos angeguckt…
Ich könnte dir ja mal zeigen wie Stricken geht? 🙂 Im Winter nicht mehr so kalte Füsse, immer schöne Mitbringsel, wenn du richtig gut bist kannst damit deine Kasse aufbessern. Die Finger bleiben geschmeidig. Eigentlich ohne Witz!
@Henning, schwirrst Du ja fernab Berlins durch die Gegend. Sonst würde ich dich mal mitnehmen. Aber beließ dich mal dazu an langen Winterabenden und probiere mal einen aus. Die App dazu ist ja kostenfrei zu bekommen.
Zeichnen wäre doch was. Du hast doch ständig wechselnde Motive vorm Wohnzimmerfenster.
Da haben wir die gleiche Idee 🙂 „Einen Dreck müssen wir …“ hinten auf Auto.
LG Andreas
Dann will ich mal antworten:
@Dirk, freut mich auch, so wie es ist. Man sieht sich bestimmt bald (siehe E-Mail)
@Lisa: Oha, ich werde vermisst… Und grüß mir den Phil, achja und M&W nicht vergessen. 😉
@Alex: Ob du es glaubst oder nicht, die Frage hat mich schon eine Weile beschäftigt. So war das auch eine gute Gelegenheit für ein Zwischenfazit nach jetzt 520 Tagen im Wohnmobil.
@Det: Ja, Geocaching klingt interessant. Ich würde ja gerne mal bei einem Cacher mitgehen und zugucken. Spätestens im Frühjahr wird das interessant, wenn man die Schätze nicht bei Schnee und Eis heben muss.
Ich bin aber auch Stubenhocker und denke über eine Beschäftigung am Wohnmobiltisch nach. Zeichnen vielleicht, so mit dem Bleistift? Mal sehen.
@Andreas: Siehe E-Mail zum Thema Radio.
@Ralph: Die Glotze ist jetzt DVB-T und das muss ich aufbauen und einen Sendersuchlauf machen. Geht also schon mal nicht spontan. Dann doch lieber Internet, auch wenn das schon etwas nervt mit Facebook und so. Aber, wie woanders geschrieben: Einen Dreck MUSS ich… Also muss ich auch nicht Facebook, es ist da nur diese Urkraft…
Aber analoge Beschäftigungen für drinnen und draußen sind gesucht. Das für drinnen sollte mit wenig Material- und Raumeinsatz zu bewerkstelligen sein.
@Uschi+Ingrid: Soll ich das wirklich hinten dran schreiben? Hätte ich schon Lust zu…
Womo waschen… oh je, muss wohl wirklich mal wieder sein.
Klar, die Freunde sitzen auch bei mir nicht alle auf einem Fleck. Wenn ich herumvagabundiere und die sich auch ein Stück bewegen können, habe ich auch ein Bett anzubieten.
Ansonsten sind wir uns mal wieder einig.
Gruß
Henning
Hallo Henning,
vielen Dank für diesen motivierenden Einblick! Und Deine Ehrlichkeit.
Du bestätigst viele Ideen/ Gedanken, die uns auch schon mal gekommen sind.
Fernsehen, z.B. ist einer der grössten „Waster“ der aktuellen Zeit .., aber jeder Alkoven, den wir besichtigen hat ne Schüsssel und min. 1 19″ Screen …
In ein paar Jahren wird „Miteinander unterhalten“ der neueste soziale Trend!!!
Lieben Gruß
Ralph
Hi Henning,
ich empfehle Dir den Umstieg auf DAB+. Deutschlandfunk ist garantiert und noch viel mehr ohne Störungen. Empfehlung findest Du auf der Seite Hecksitzgruppe unter “ Das Wohnmobil“.
Gruß
Andreas
Schönes Resümee, lieber Henning. Versuchsmal mit Geocaching als Hobby. Macht richtig Laune, man kommt viel in Ecken die nur die Einheimischen kennen.
Und, wem macht Schatzsuche keinen Spaß?
Gruß Detlef
Sorry, vergessen. Mehr Infos findest du unter: http://www.geocaching.com
Hallo Hennig.
Vielen Dank für die ausführliche Antwort auf meine Frage.
Hab eigentlich schon gar nicht damit gerechnet eine Antwort zu bekommen, aber dann so eine ausführliche!? 1000 Dank dafür!
Herrlich! 🙂
Sehr gut geschrieben. Das Resümee freut mich sehr für Dich!
Gruß aus Ratingen,
Dirk