Hallo zusammen,
Einkaufen und Gas besorgen sind im Moment die einzigen legalen Gründe, die mich meinen Platz verlassen lassen. Weil in Krisenzeiten Leute, die sich irgendwie anders als die „Norm“ verhalten, also zum Beispiel im Wohnmobil, statt im Steinhaus leben, immer irgendwie durchs Raster fallen, habe ich dabei auch jedes Mal ein flaues Gefühl, wie sonst nur bei der mautfreien Durchquerung Österreichs.
Die Polizei könnte mich zum Beispiel anhalten und zur sofortigen Fahrt nach Hause auffordern, denn mein Kennzeichen ist für die Gegend recht exotisch. Auch fallen herumfahrende Wohnmobile im Moment besonders auf. Oder, schlimmer noch, der Volkszorn aller, die Zuhause bleiben müssen ergießt sich über mich. Zumindest nach ein paar Stunden Facebook entstehen solche Angstgefühle.
Fahre ich dann tatsächlich los, ist alles viel entspannter. Kaum Verkehr auf den Straßen, überwiegend LKW, die ja auch wichtig sind, damit die Versorgung nicht zusammenbricht und ich auch etwas im Laden finde, wenn ich einkaufen fahre. Praktischerweise ist am Ortseingang von Dinkelsbühl, gut sichtbar neben der Bundesstraße, ein Netto-Laden und etwa 500m dahinter eine OMV-Tankstelle mit LPG-Zapfsäule. Da lässt sich alles Wichtige in einem Durchgang besorgen.
Das hat auch Ende März, bei meiner ersten Versorgungsrunde nach dem offiziell verkündeten Lockdown gut geklappt. Im Netto war wenig los. Es hingen überall Schilder, die an den Mindestabstand erinnern und zum bargeldlosen Bezahlen auffordern. Im Kassenbereich waren Markierungen auf dem Boden angebracht für den Mindestabstand. Ich habe nur ein leeres Regal gesehen und das war im Non-Food-Bereich. Sonst gab es alles und ich habe selten so in Ruhe eingekauft.
Der Kassierer saß hinter provisorisch angebrachten Plexiglaswänden, aber es war etwas Zeit, sich mit ihm zu unterhalten. Bei Netto fragen sie mich nämlich immer, ob ich eine Deutschlandkarte habe. Ich sage dann „Ja, aber die liegt im Auto.“ Jetzt weiß ich, sie meinen nicht die Generalkarte, sondern so eine Karte, mit der ich bei jedem Einkauf Punkte sammeln kann, um dann verbilligt irgendetwas kaufen zu können, das ich wahrscheinlich sowieso nicht gebrauchen kann. Also Kundenbindung inklusive Datenklau. Will ich nicht, brauch ich nicht.
Auch an der Gastankstelle lief alles reibungslos, ich konnte am Ende der Aktion durch den Erwerb von etwas Kuchen und durch Barzahlung beim Gas noch ein paar Ein-Euro-Münzen verbuchen, die hier für das Wasser an der V+E, sowie für den Landstrom nötig sind.
Auch bei meiner Rückkehr war der Platz weder abgesperrt, noch von weiteren Corona-Flüchtlingen belagert, also habe ich das Auto wieder nach dem, inzwischen deutlich abgeflauten, Ostwind ausgerichtet.
Das ergibt im Windschatten eine sonnenbeschienene Ecke für den Nachmittagskaffee.
Die Essensvorräte hätten knapp zwei Wochen gehalten, aber die Gasflasche war nach einer Woche schon wieder leer. Nachts war es auch Anfang April noch empfindlich kalt. Als Reserve habe ich noch eine angebrochene 11kg-Tauschflasche, aber die wird auch nicht ewig reichen, also musste ich nochmal los, wieder dieselbe Runde, denn irgendwas passt sicher auch noch in den Kühlschrank.
Das beim letzten Besuch im Netto leere Regal bot jetzt Toilettenpapier und Küchenrollen. Bisher hatte ich das mit dem Hamstern von Klopapier immer für einen Running Gag gehalten, aber da scheint tatsächlich was dran zu sein. Die Deutschen hamstern in Krisenzeiten Klopapier, warum auch immer. Vielleicht fürchten sie Dauerdurchfall, wer weiß. Sicher kann mir das Jemand in den Kommentaren erklären.
UPDATE 11.4.2020: Spiegel-Geschichte erklärt es mit der Angst vor Kontrollverlust
Weil ich insgesamt etwas später dran war zum Einkaufen, war der Laden jetzt etwas voller, aber noch immer weit entfernt von Kassenschlangen. Auch eine Einlasskontrolle gab es nicht.
Es hätte alles erfolgreich sein können, wenn nicht an der OMV-Tankstelle die LPG-Zapfsäule defekt gewesen wäre. Drinnen wußte man auch von keiner anderen Gastankstelle in der Nähe und Tauschflaschen hatten sie auch nicht im Angebot. Da ich auch keine Lust zu einer Suchfahrt nach Gas hatte, bin ich zurück zu meinem kleinen Hideout gefahren und habe das Internet bemüht. Jetzt weiß ich, dass es in Nördlingen und Schnelldorf auch noch Gastankstellen gibt. Bei der Suche stoße ich nur leider immer wieder auf Seiten, die anscheinend aus meiner Suchanfrage „<Ortsname> Gastankstelle“ flugs etwas bauen, das mir den sofortigen Erfolg verspricht. Klicke ich dann drauf, sehe ich außer viel Werbung für alles Mögliche keine weitere Information zu einer Gastankstelle in dem Ort. Leuten die sowas programmieren, sollten die Finger abfaulen. OMV scheint aber LPG-Zapfsäulen recht häufig an ihren Stationen zu haben.
Für den nächsten Tag habe ich mich zum Besuch der OMV-Station in Nördlingen entschieden, das sollten nochmal rund 40 Kilometer auf der B25 Richtung Süden sein. Nur war die B25 gesperrt und mit Umleitung über die Dörfer wurden es dann ein paar Kilometer mehr. Doch die Gastankflasche ist wieder voll und wärmer wird es auch. Der Verkehr war auch auf dieser Tour eher schwach und ich glaube ein Polizeiwagen kam mir entgegen, die haben sich aber nicht für mich interessiert.
Auch mein Stellplatz war noch immer offen.
Diese leicht verwischte Nachtaufnahme aus dem Badfenster zeigt, wie einsam es hier ist.
Auch am Tag verirren sich nur wenig Leute hierher und so kann ich sehr einfach tun, was jetzt von uns verlangt wird, nämlich Sozialkontakte vermeiden, um das böse Virus nicht weiter zu verbreiten.
Im Internet und besonders auf Facebook sind jetzt herrliche Zeiten für alle Möchtegern-Blockwarte angebrochen. Endlich viele schöne, neue Vorschriften, auf die man seine Mitmenschen hinweisen kann. Früher waren da nur Themen wie Überladung, Wildcamping, das Nachfüllen von Gasflaschen an der Tankstelle und die Wahl der korrekten Reifen. Jetzt kann man auf jedem rumhacken, der nicht Zuhause auf dem Sofa hockt oder hocken kann, weil der eben kein Steinhaus mit Sofa mehr hat. Politische Systeme, die auf Überwachung der Bürger durch ihre Mitmenschen setzen, werden in Deutschland wohl immer Anhänger haben. UPDATE 12.4.2020: Ein sehr treffender Kommentar beim DLF.
Aber es gibt auch sinnvolle Posts dort, so werden in der Facebook-Gruppe „Leben im Wohnmobil“ Angebote von Stellplätzen gesammelt, auch bei Privatleuten, auf die sich Wohnmobilbewohner zurückziehen können. Diesen Platz kann ich da nicht einbringen, denn ich bin hier auch nur geduldet. Das müssten dann die Betreiber schon selbst tun. Ich weiß auch nicht, was hier passiert, falls über Ostern doch mehrere Wohnmobile sich hier versammeln sollten. So lange sich alle in und um ihre Gefährte herum aufhalten, sehe ich da keine Gefahr, aber man weiß nie, wie andere das sehen.
Wer auf Facebook jedenfalls in diesen Tagen Bilder von mehr oder weniger belegten Stellplätzen postet, kann sich sicher sein, die üblichen Kommentare zu ernten. Manche glauben sogar, dass sich dadurch die Ausgansgsbeschränkungen nur noch weiter verlängern. Das dürfte die übliche Selbstüberschätzung der Wohnmobilisten sein, die sich und ihr Tun für den Nabel der Welt halten. Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie ein paar Wohnmobile auf einem Stellplatz aktiv zur Verbreitung des Corona-Virus beitragen sollen, sofern die Bewohner keine Parties feiern oder sich ständig in den Armen liegen, weil sie doch alle so gleichgesinnt sind.
Überhaupt, Ostern. Das war in früheren Jahren immer das erste Wochenende im neuen Jahr, an dem ich besser nicht versuche, irgendwo anders hinzufahren, weil sicher alle Plätze voll sind. In Portugal hat man ein Fahrverbot für die Zeit vom 9. bis 14. April verhängt. Für Deutschland ist mir eine solche Maßnahme nicht bekannt. Meine Vorräte, inklusive Gas, sollten bis nach Ostern reichen. Da werde ich hier den Ball flach halten und abwarten.
Gruß
Henning
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Recht hast Du ja Henning, aber ich als „ treuer Leser „ wüßte auch gerne, was Du alles nicht erlebt hast.
Z.B. Einen Sechser im Lotto ?
Schönes Wochenende
Für einen Sechser im Lotto müsste ich aber auch mal Lotto spielen…
R.I.P. Lieber Henning.
Du hast wohl kein weiteres Abenteuer Einkaufen bestehen können und bist, hungrig am Tischtuch nagend,über die, für Wohnmobile nicht gesperrte Regenbogenbrücke, auf den letzten großen Stellplatz jenseits der , ohne Corona, stets überfüllten irdischen Stellplätze zur Ruhe gekommen.
Nö, der Stellplatz ist immer noch derselbe. Es passiert nur gerade so rein gar nichts.
Hallo Henning.
Auch Corona hat Sizilien fest im Griff. Die Ausgangssperre wird sogar am fast menschenleeren Strand streng kontrolliert. Wir sind gespannt, wann wir wieder deutschen Boden unter den Reifen haben.
Bleib behütet.
Erst mal schöne Feiertage und bleib gesund.
Zum Klopapier:
Ich glaube fast, vor Corona haben die Leute hauptsächlich Restaurants und Kneipen besucht, um ihren Toilettengang zu erledigen. Auch die arbeitende Bevölkerung sitzt ja nun zum grossen Teil zuhause.
Vielleicht passt ja der gesamte Topapi verbrauch, nur die Vertriebswege haben sich verschoben.?
Halli Henning!
Zu Klopapier: Das wird derzeit mehr als sonst benötigt, weil, wenn einer niest, machen sich tausend in die Hose.
Zu Facebook:
https://www.facebook.com/help/contact.php?show_form=delete_account
Frohe Ostern!
Bernhard
hallo Henning, schöne Platzostern. Deine Schreibe kommt mir sehr nahe und deine Sicht auf meine “ Heimat“ Deutschland entspricht meiner Denke. Es macht immer einwenig nachdenklich und damit Spaß deinen Blog zu lesen. Grüße von Land und In Quarantäne Josef Ontheroad.
Die App „Mehr-tanken“ zeigt auch LPG-Tankstellen.
Hallo Henning
Zum Gastanken: LPG-Tankstellen in der Nähe sind mit den Apps GasTanken und myLPG leicht zu finden. Habe ich auf meinem iPhone und nutze sie im Fall der Fälle. Hat mir schon ab und zu geholfen. Die beiden Apps werden sporadisch aktualisiert. Sehr zu empfehlen.
Frohe Ostern wünscht dir
Joe