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Hallo zusammen,
dieses gewaltige Werk (gut 1460 Seiten) habe ich für gerade einmal 1,50€ auf dem Flohmarkt in Fürstenfeldbruck gekauft. Die Verkäuferin wollte gerade einpacken und war sichtlich froh, diesen Wälzer nicht wieder nach Hause schleppen zu müssen. Doch es lohnt sich, die vielen, vielen Seiten zu lesen. Lothar Günter Buchheim (1918-2007) war zu Beginn des Krieges gerade 21 Jahre alt, also im „besten“ Soldatenalter. 1940 ging er als Kriegsberichterstatter zur Marine und hat dort unter anderem die Feindfahrten von U96 Ende 1941 mitgemacht, auf denen sein verfilmter Bestseller „Das Boot“ basiert. Dieses Buch, „Die Festung“, ist chronologisch die Fortsetzung von „Das Boot“. Man entdeckt immer wieder Bezüge darauf und „der Alte“, aus dem Boot bekannt als „Kaleun“, also der Kommandant, taucht hier ebenso wieder auf. Man muss „Das Boot“ aber nicht gelesen haben, um der Geschichte folgen zu können.
Es beginnt mit der Rückkehr von U96. Der „Alte“ (tatsächlich gerade einmal 33 Jahre alt) wird zum Flottenkommandant in Brest befördert, Kriegsberichterstatter Buchheim wird nach Berlin befohlen. Per Bahn macht er sich auf durch das vom Bombenkrieg schwer gezeichnete Deutschland. Buchheim, auch Maler und Zeichner, war ein Augenmensch, weshalb er sich in diesem Buch oft und gern in Beschreibungen verliert, die aber für meinen Geschmack immer treffend sind und nicht langweilig werden. Von Berlin kommt er nach München und Feldafing am Starnberger See, dann wird er nach Paris beordert, wo er die Invasion erlebt und kurz nach dem „D-Day“ (6.Juni 1944) zur Invasionsfront befohlen wird. Als Kriegsberichterstatter kann er sich, mit eigenem Wagen und Fahrer, relativ frei bewegen, sofern die drückende Lufthoheit der Alliierten das erlaubt. Mit Tieffliegerangriffen muss ständig gerechnet werden, deutsche Flugzeuge kennt man in dieser Zeit nur noch aus der Erinnerung an bessere Tage.
Nach einem „Ausflug“ an die Front schlägt sich Buchheim nach Brest durch, auch um das Schicksal seiner verhafteten französischen Geliebten zu klären. In diesem Abschnitt kann man das Buch auch ein wenig als Reiseführer lesen. Es gibt einen Abstecher zum Mont St. Michel, wo Buchheim in seinem Quartier ein Omelette serviert wird. Genau dort, bei „La Mere Poularde“, habe ich, gut 54 Jahre später, auch ein ziemlich teures, aber leckeres Omelette gegessen. Trotz des Krieges gönnt er sich ein kleines touristisches Programm auf der Fahrt durch die Bretagne, wobei sein Talent zur Landschaftsbeschreibung schon Lust macht, dort wieder hinzufahren. Buchheim versteht es, mit Worten Bilder zu malen.
In Brest, bei der Flottille, geht es wie in der Etappe zu, nur unterbrochen von fast täglichen Luftangriffen auf den U-Boot Hafen und die ohnehin schon zerstörte Stadt. Die hier stationierten U-Boote können fast nichts mehr ausrichten und die Besatzungen dürfen von Glück sagen, wenn sie den Einsatz überleben. Dieser Teil der Geschichte lebt von der inneren Spannung. Denkenden Menschen, wie Buchheim und dem „Alten“ ist klar, dass der Krieg verloren ist. Aber da gibt es immer noch die fanatischen Nazis und keiner traut dem Anderen, so muss jeder schauspielern und an den Dialogen ist das Ungesagte oft spannender, als das Gesagte. In diese Zeit hinein platzt die Nachricht vom Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944.
Aus dem von der Einkesselung bedrohten Brest gelingt Buchheim wenig später die Flucht nach La Rochelle mit einem völlig überfüllten U-Boot. Mit einem Holzgas-Auto geht es weiter durch das noch von den deutschen Truppen besetzte Frankreich „Heim ins Reich“, wo die Geschichte ziemlich abrupt endet.
Fazit: Das Buch ist packend geschrieben, ich habe selten zuvor so lange am Stück gelesen. Durch die Beschreibung der Ereignisse quasi in „Echtzeit“ gibt es ein paar Längen, weil eben nicht immer nur Action stattfindet. Aber Buchheim schafft es, durch seine Erzählkunst die Spannung zu halten. Natürlich ist heute der Ausgang des Zweiten Weltkriegs kein Geheimnis mehr, aber man möchte doch wissen, wie dieser kleine Kriegsberichterstatter aus jedem Schlamassel, in das er hinein gerät, auch wieder heraus kommt.
Buchheim stellt sich selbst als nazikritisch dar. Natürlich, wer täte das nicht? Aber er macht trotzdem mit. Immer wieder sinniert er darüber, die Uniform einfach wegzuschmeißen und zu desertieren. Er konnte wohl gut genug französisch, um in seiner geliebten Bretagne (eine Liebe, die ich durchaus teile) unterzutauchen. Warum er es, trotz vieler Möglichkeiten, doch nie tut, erklärt er nicht, obwohl er mit Erklärungen für alles Mögliche wahrlich nicht geizt. Ist es Angst? So etwas wie Pflichtgefühl einem Regime gegenüber, das er doch als verlogen verachtet? Treue zu den Kameraden, denen er doch nur aus der Ferne mit der Kamera zusieht? Daheim im „Reich“ hat er weder Frau, noch Kinder. Wo seine Mutter und sein Bruder sind, weiß er schon seit einigen Jahren nicht mehr. Es gibt also kaum familiäre Zwänge, die ihn von einer Desertation abhalten können. Leider erklärt er bis zum Ende der Geschichte nicht, was ihn von der Fahnenflucht abhält, obwohl er mehr als genug Gelegenheiten dazu hatte.
Das Buch ist in der Gegenwartsform erzählt, was den Leser die Ereignisse noch direkter erleben lässt. Auch bleibt Buchheim streng bei der Perspektive des Ich-Erzählers und lässt den Leser oft an seinen Gedanken teilhaben.
Aus rein praktischen Erwägungen würde ich zur Taschenbuchausgabe greifen, die ist einfach nicht ganz so schwer, wie das gebundene Buch-Trum. Aber die, auch körperliche, Anstrengung lohnt auf alle Fälle.
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Gruß
Henning