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Hallo zusammen,
auf Spiegel-Online habe ich einen sehr interessanten Artikel zu Amazon gefunden: 20 Jahre Amazon – Wie ein Unternehmen uns alle verändert hat
Da stehen viele richtige Erkenntnisse drin, die nicht nur für Amazon gelten und es ist keine Lobhudelei. Die will ich hier auch nicht anstimmen.
Amazon begann im Juli 1995 als Online-Buchversand in Seattle/USA. Heute ist es ein globaler Allesverkäufer, ein Konzern mit rund 150.000 Mitarbeitern und fast 90 Milliarden Dollar Umsatz im letzten Jahr. Das Buchgeschäft ist immer noch wichtig für Amazon und mit E-Books und dem Kindle hat man dort genau dieses Geschäft heftig umgekrempelt. Darum geht es vor allem in diesem Spiegel-Artikel.
Das Zeitbudget des Lesers
Eine der Erkenntnisse ist die, dass Autoren und Verlage, Musiker, Filmemacher und auch Blogger um das Zeitbudget ihrer Kunden oder Leser konkurrieren. Jeder von uns hat 24 Stunden pro Tag zur Verfügung. Einen Teil dieser Zeit verbringen wir im Bett, einen anderen Teil auf der Arbeit, beim Essen oder auf dem Weg zwischen dem Bett und der Arbeit. Da bleiben ein paar Stunden pro Tag für Entspannung und Unterhaltung. Bei der Fülle des Angebots muss man sich anstrengen, um überhaupt wahrgenommen zu werden.
Das ist natürlich eine Binsenweisheit, als Blogger sollte man sich trotzdem ab und zu klar machen, dass sich die Welt nicht nur um einen selbst dreht.
Marktmacht und ihr Missbrauch
Ein Unternehmen, das, wie Amazon, eine beherrschende Stellung aufgebaut hat, wird diese missbrauchen. Das liegt in der Natur des Menschen, denn Unternehmen werden von Menschen geführt. Schon meinem Ex-Brötchengeber Microsoft hat man in den Neunziger und Zweitausender Jahren den Missbrauch seiner dominierenden Stellung auf dem Markt für PC-Software vorgeworfen. Hätte IBM oder Apple diese Marktposition zu der Zeit inne gehabt, hätte man diesen Firmen dasselbe vorgeworfen.
Da gibt es heute regulierend eingreifende Behörden, um Auswüchse zu verhindern. Das mag nicht immer perfekt funtionieren, aber es ist auch nicht wirkungslos geblieben. Nebenbei regelt so manches der vielgepriesene Markt. Wenn eine Firma eine Entwicklung verschläft, ist sie ganz schnell weg vom Fenster.
In dem Artikel wird Microsoft erwähnt, das vor 20 Jahren fast das Internet verpennt hätte. Das habe ich selbst miterlebt. Noch im Sommer 1995 war das Internet kein Thema für Microsoft. Im November 1995 hat es plötzlich nie ein wichtigeres Thema als das Internet und den neuen Internet-Explorer gegeben. Damit begann der Browser-Krieg. Wer erinnert sich heute noch an den Ex-Marktfüher Netscape?
Amazon tötet den Einzelhandel?
Das kleine Fachgeschäft an der Ecke war auch schon vor Amazon vielfacher Bedrohung ausgesetzt. Das fing sicherlich an mit den viel geschmähten Supermärkten auf der grünen Wiese. Trotzdem gibt es manche dieser Geschäfte immer noch. Wenn sie es schaffen mit gutem Service ihre Nische zu verteidigen, dann können sie auch heute überleben.
Aber leider ist es oft heute so: Ich suche etwas bestimmtes, renne von Fachgeschäft zu Fachgeschäft. Entweder zuckt man die Achseln und hat von dem Produkt, das ich suche noch nie etwas gehört oder man führt es nicht oder es kostet ein kleines Vermögen.
Bei Amazon habe ich es mit ein paar Klicks gefunden und wenige Tage später ist es da, oft billiger als im Fachgeschäft. Ein Beispiel dafür ist meine kürzlich erworbene Edelstahl-Espressokanne. In einem, noch immer mit der Insolvenz ringenden, Warenhaus in Lübeck hätte ich eine ähnliche Kanne für 42 Euro kaufen können. In Ratzeburg hatte man das passende Produkt nicht vorrätig und so habe ich irgendwann doch bei Amazon bestellt. Mit Versand hat die Kanne rund 30€ gekostet.
In den letzten zwei Jahren bin ich ja viel in Deutschland herumgekommen. Vorwiegend in ländlichen Gegenden und kleinen Städten, weil ich nicht so ein Fan der Großstadt bin. Da ist mir schon aufgefallen, dass es immer weniger Geschäfte gibt. Daran wird Amazon nicht allein schuld sein. Am Ende ist es der Kunde, der entscheidet, wo er kauft. Da spielt eben oft der Preis die entscheidende Rolle und da gewinnt meistens Amazon gegen den Laden an der Ecke, oft auch gegen den Supermarkt auf der grünen Wiese.
Vielleicht sieht das Fachgeschäft der Zukunft so aus: Von jedem Produkt, das online bestellbar ist, gibt es ein Exemplar zur Ansicht. Die Verkäufer haben vor allem die Aufgabe, dem interessierten Kunden die Produkte zu zeigen und zu erklären, müssen sich also damit auskennen. Am Ende wählt der Kunde ein Produkt aus, das dann vom Fachgeschäft online bestellt wird und direkt an den Kunden geliefert wird. Das Fachgeschäft bekommt dafür eine Provision vom Onlinehändler.
Natürlich ist diese Idee unausgegoren, es ist ja auch nicht meine Aufgabe, mir Gedanken über die Zukunft des Einzelhandels zu machen. Wie man es verhindern soll, dass sich der Kunde zuerst von Fachpersonal umfassend beraten lässt und dann doch billiger online kauft, weiß ich auch nicht. Dafür müsste man vielleicht den besseren Menschen züchten, an dessen Nichtvorhandensein schon ganze Ideologien gescheitert sind.
Böses Amazon, gutes Amazon?
Vieles an Amazon kann man kritisieren, angefangen mit den Arbeitsbedingungen. Ein Sprechverbot und Punktabzug für die Pinkelpause passen in das 19. Jahrhundert, ebenso eine faktische Offenlegung aller Gesundheitsdaten gegenüber dem Arbeitgeber. Das sind Ideen aus den Zeiten des Frühkapitalismus, durchgesetzt mit den Mitteln des 21. Jahrhunderts. Echt gruselig!
Aber die Gewerkschaften haben auch schon etwas erreicht. Mittlerweile gibt es an allen deutschen Amazon-Standorten Betriebsräte. Wenn die ihre Unabhängigkeit verteidigen können, dann werden sie auch Dinge verbessern für die Beschäftigten.
Einen Boykottaufruf werde ich hier nicht starten, den wird man mir auch nicht glauben, so lange die Affiliate-Links zu Amazon weiterhin auf dieser Seite bleiben. Aber ich werde das beobachten und habe auch nichts dagegen, einen anderen Online-Shop zu verlinken, denn nur Konkurrenz belebt das Geschäft und kann den nötigen Druck für Veränderungen aufbauen.
Wie Amazon das Einkaufsverhalten ändert
Wie ich oben schon beschrieben habe, es ist einfach, eine bestimmte Ware bei Amazon zu finden. Ein paar Klicks, zwei, drei Tage warten und ich halte das Gewünschte in Händen. Dabei geht aber auch etwas verloren. Der Triumph, etwas lange gesuchtes endlich aufgestöbert zu haben. „Früher“ habe ich oft Musik-CD’s gekauft, noch früher Vinyl-Schallplatten (diese großen, runden, schwarzen Dinger…) Anregungen dafür kamen aus dem Radio, ich habe ein Lied gehört, das mir gefiel, habe mit etwas Glück den Titel und den Namen des Interpreten aufgeschnappt und dann im Plattenladen danach gesucht. Nach manchen Titeln habe ich jahrelang gesucht. Groß war die Freude, wenn ich es endlich gefunden hatte.
Dieses Jagdfieber kommt heute gar nicht mehr auf. Höre ich ein Lied, kann ich sofort im Netz danach suchen und es bei Amazon bestellen, noch bevor der Song verklungen ist. So ist es mit anderen Sachen auch. Das Stöbern und Entdecken fällt dabei weg. Alles ist sofort verfügbar, was es bei Amazon nicht gibt, das existiert nicht.
Da siegt eben oft die Bequemlichkeit. Statt die Läden der eigenen Stadt nach dem Gewünschten abzuklappern, klickt man es sich jetzt schnell im Internet herbei. Warum auch nicht?
Wegen dieser Bequemlichkeit von uns allen und der sofortigen Verfügbarkeit aller möglichen Waren wird man Amazon oder ähnliche Geschäftsmodelle nicht wegdiskutieren können. Wer dagegen vorgehen will, kann genausogut die Bekämpfung des allabendlichen Sonnenuntergangs auf seine Fahnen schreiben. Nur etwas mehr Konkurrenz könnte hier nicht schaden.
Gruß
Henning
Hallo Henning, ich lese hier schon länger mit. Die Ansicht zu Amazon finde ich gut – weder muss man den Riesen aus den USA verteufeln noch alles gut heißen was er im Laufe der Jahre so eingeführt hat. Eines hat er jedenfalls geschafft – den Buchmarkt in Deutschland zu verändern. Wie wäre es, wenn Du mal einen „Wohnmobilratgeber“ verfasst? Du hast so viele Themen aus dem Blog zur Verfügung (sozusagen schon vorgeschrieben)! Aus der Praxis geschrieben – besser geht es doch nicht. Ein eBook ist sehr einfach erstellt und über kdp allen Amazon Kunden zum Kauf angeboten. Verkaufe das dann für 1,99 / 2,99 – und Du hast eine weitere (stete) Einnahmequelle 😉 Bei Interesse kann ich Dir hierzu Tipps geben. Man glaubt gar nicht was in der „Nische“ alles möglich ist. Grüße, M.