Hallo zusammen,
auf der Karte habe ich dieses Museum entdeckt, dass auch noch gar nicht weit weg von meinem idyllschen Plätzchen mit der eng begrenzten Aufenthaltsdauer liegt. In der Nähe gibt es auch einen großen Wanderparkplatz und als ich bei Google Maps gesehen habe, wie voll dieser Parkplatz werden kann, stand der Entschluß fest, zu einer für mich völlig unüblichen Zeit, nämlich um 17 Uhr, noch zu einem neuen Platz aufzubrechen.
Ich habe auch eine freie Ecke auf dem fast leeren Parkplatz gefunden und mir so den „Heimvorteil“ sichern können.
Vom Parkplatz läuft man etwa 500m bis zum Museum…
…im Bergdorf Diepolz, das auf 1000m Höhe liegt. Meine Küche ist kalt geblieben und so war es die erste Pflicht zu einer Brotzeit zu kommen. Die gibt es ganz oben in der Höfle-Alpe, oben ist dabei wörtlich zu nehmen, denn es geht ziemlich steil den Hang hinauf. Nach einem ordentlichen Schinken- und Käsebrot bin ich dem Gebotenen besser gewachsen, wozu auch die Aussicht über Diepolz und Umgebung zählt.
In der Höfle-Alpe zeigt eine Ausstellung mit Bildern und Texten Leben und Arbeit der Bauern auf der Alm. Dort oben wird täglich der Käse und die Butter gemacht, auch um die Milch haltbar zu machen. Heute gibt es Materialseilbahnen, früher musste das alles mühsam mindestens einmal pro Woche ins Tal geschafft werden.
Auf der Alm waren oft auch Schweine, die hier mit der täglich angefallenen Molke gemästet wurden. Selbst viel zu laufen brauchten die Borstentiere nicht. Damit sie auf dem Weg zur Alm oder hinunter nicht wieder die mühsam angefressenen Pfunde verlieren, wurden sie getragen oder gefahren.
Zum Almabtrieb…
…werden die Rinder geschmückt, aber nur dann, wenn alles gut gegangen ist, wenn also kein Tier verloren wurde, sei es durch Krankheit oder den Absturz in eine Felsspalte.
Der Sattler-Hof…
…wurde quasi als leere Hülle ohne historisches Innenleben in das Museum versetzt. So ergab sich die Möglichkeit, hier exemplarisch zu zeigen, wie die Leute um 1920 auf so einem Hof gelebt haben.
Mittelpunkt ist natürlich der Ofen in der Guten Stube…
…nebenan das Schlafzimmer der Bauersleute mit dem Bettchen für den jüngsten Nachwuchs.
Auch hier sind die Betten wieder recht kurz, weniger weil die Leute so klein waren, sondern weil man im Sitzen geschlafen hat. Liegen war die Haltung für Tote, aber die sitzende Haltung hat auch die Lungen entlastet, die damals durch viel Rauch von offenen Feuerstellen stärker belastet waren als heute. So erklärt es zumindest eine der Infotafeln.
Das alles untermalt vom Heulen des heute recht steifen Ostwinds in den Fenstern.
Gekocht und gegessen…
…wurde in der Diele und dahinter…
…geht es in den Stall. Dort wird das Kapital der Allgäuer Bauern gehalten, ihre Kühe.
Das Allgäu ist ganz überwiegend Weideland, Felder und Äcker sind mir nicht aufgefallen, dafür überall Kühe auf saftig grünen Weiden.
Um die Rindviecher geht es auch im Wiedemann-Hof.
Heutige Rinder in Mitteleuropa stammen vom Ur oder Auerochsen ab. Der dunkle Umriss im Hintergrund zeigt die typische Größe eines solchen Auerochsen.
Das letzte dieser wilden Ur-Rinder wurde im 17. Jahrhundert geschossen. Damalige Hausrinder lebten unter sehr viel schlechteren Bedingungen als ihre wilden Vorfahren und wurden deshalb auch nicht sehr groß mit einer Schulterhöhe von etwa einem Meter, wie es der Draht-Umriss im Vordergrund zeigt. Das Skelett in der Mitte zeigt die Größe eines heutigen Rinds.
So ein Rind, genauer die Kuh, ist durch Züchtung zu einer Hochleistungs-Milchfabrik geworden.
Eine durchschnittliche Hochleistungskuh produziert 6.200 Liter Milch im Jahr, das sind 124 Kannen mit 50 Litern Inhalt, wie es das Schaubild oben zeigt.
Aber wie macht die Kuh aus Gras Milch?
Das wird im begehbaren Kuhmagen gezeigt, hier der Eingang…
…vor allem für die kleinen Kuh-Fans. Die Großen dürfen ganz normal aufrecht eintreten. Der Besucher und auch das Gras landen zuerst im Pansen. Dieser größte der vier Kuh-Mägen fasst 140 bis 200 Liter Futter. Allein damit der Brei gut rutscht, produziert die Kuh 110 bs 150 Liter Speichel am Tag. Der Futterbrei gärt im Pansen und wird ständig umgewälzt. Passiert das nicht, könnte der Magen sogar platzen durch die bei der Zersetzung entstehenden Gase. Dabei helfen vor allem Bakterien mit, die in den ersten drei der vier Mägen die Hauptrolle spielen. Die Masse der Verdauungsbakterien beläuft sich pro Kuh auf etwa sieben Kilogramm.
Vom Pansen wandert der Brei weiter in den Netzmagen. Hier stehe ich im Pansen…
…und rechts geht es in den Netzmagen, dessen Wände mit einer netzartigen Struktur überzogen sind. Hier wird aussortiert. Pflanzenteile, die noch zu groß sind, wandern zurück ins Maul zum Wiederkäuen, der Rest geht weiter in den Blättermagen. Dieser ist der letzte der drei Vormägen, in denen auch Bakterien bei der Zersetzung der Nahrung helfen und so das Gras überhaupt für Wiederkäuer wie Rinder, Schafe und Ziegen verwertbar machen. Im Blättermagen zieht die Kuh erste Nährstoffe aus dem Futter, alle Schritte vorher waren nötig, um das Gras soweit zu zersetzen
Der Labmagen schließlich funktionieet wie unser Magen auch, also mit Magensäure. Danach geht es in den Dünndarm, dann in den Dickdarm und alles endet als Fladen auf der Wiese…
…und etwa 17 Litern Milch am Tag. Weiteres Nebenprodukt der Kuh-Verdauung sind rund 200 Liter Methangas pro Tag, weshalb auch die Rinderhaltung von Klimaschützern skeptisch gesehen wird. Wie man allerdings uns alle ohne diese Hochleistungs-Bioreaktoren, genannt Kühe, satt machen sollte, wissen die wohl auch nicht. Methan ist auch brennbar und könnte als Energieträger taugen, wenn die Kühe in einen Sammelbehälter furzen würden…
An das alles kann ich mich auch dunkel und verschwommen aus dem Biologie-Unterricht erinnern, aber es schadet ja nicht, solche Zusammenhänge anschaulich vorgeführt zu bekommen.
Gerade für Familien mit Kindern ist das Museum ein lohnendes Ziel. Die lieben Kleinen wird man hier den ganzen Tag auf verschiedenen Spielplätzen beschäftigen und sie können im Wiedemann-Hof direkt ins duftende Heu hüpfen. Ich muss zugeben, das hätte ich auch gerne gemacht…
Neben dem Museum ist die Bergkäserei, wo ich ein paar Käsesorten zum Probieren einkaufe. Als ich zurück zum Parkplatz laufe, kommen gerade die Hochleistungs-Bioreaktoren…
…Verzeihung, Kühe von der Weide.
Info Allgäuer Bergbauern Museum
Diepolz 44, 87509 Immenstadt
www.bergbauernmuseum.de
Öffnungszeiten:
Palmsonntag bis Ende der bayrischen Hebstferien
täglich von 10 bis 18 Uhr
Gruß
Henning
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