Hallo zusammen,
es ist ja noch von einer eisenbahntechnischen Exkursion erzählen. In Staßfurt, südlich von Magdeburg, ist ein Bahnbetriebswerk aus Reichsbahnzeiten erhalten geblieben, also aus der Zeit vor dem zweiten Weltkrieg. Dort kümmern sich die Eisenbahnfreunde Staßfurt um diverse Fahrzeuge aus der Zeit von etwa 1930 bis zum Ende der DDR. Manche der Fahrzeuge gehören zum Verkehrsmuseum Nürnberg und sind hier abgestellt.
Schon am Eingang steht ein rostiges Exemplar der Dampflok-Baureihe 52.
Das war eine sogenannte „Kriegslokomotive“. Dazu wurde vieles an der Konstruktion vereinfacht, um kostbares Material und Zeit bei der Fertigung einzusparen. So konnten von 1942 bis zum Kriegsende gut 7.000 dieser fünfachsigen Mehrzwecklokomotiven hergestellt werden.
Duch die schiere Menge und weil sich die Konstruktion insgesamt bewährt hatte, waren sie auch nach dem Krieg noch lange nicht von Europas Schienen wegzudenken. Dieses Exemplar hier…
…wartet sicher noch auf seine Aufarbeitung.
Direkt daneben steht eine der Raritäten:
Einer von insgesamt zwei erhaltenen Katastrophenzügen der DDR. Diese rollenden Feldlazarette waren vorwiegend für das Militär gedacht, sollten aber auch bei Naturkatastrophen und Eisenbahnunglücken zum Einsatz kommen. Drin gibt es Feldbetten für die Patienten, einen Operationssaal und Versorgungseinrichtungen. Einige von uns haben den Zug besichtigt, ich habe leider nicht schnell genug geschaltet, als nur die Rede vom „K-Zug“ war, den sie ansehen wollten. Ich versuche, Material von den Freunden für einen eigenen Beitrag zu bekommen.
Im Freigelände steht auch dieses Ungetüm:
Eine Dampf-Schneeschleuder des Herstellers Henschel in Kassel.
Das Schleuderad wurde durch eine Dampfmaschine angetrieben und hinten hat eine Lok nachgeschoben. Hier ein Video vom Einsatz einer solchen Dampf-Schneeschleuder in der Schweiz:
Ich hasse Schnee und bin deshalb der Meinung, dass man diesem weißen Zeug gar nicht genug Gewalt antun kann.
Jetzt können wir in den Lokschuppen mit Drehscheibe davor.
Hier einer der Stars…
…des Traditionsbetriebswerks: Die 44 1182, eine der größten Güterzuglokomotiven, die auf deutschen Gleisen gefahren sind, auch Jumbo genant.
An der Lok daneben wird gearbeitet…
…und sie soll darum ein Stück bewegt werden. Dafür kommt eine winzige Akkulok zum Einsatz, Spitzame „Taschenlampe“.
Die wird per Drehscheibe auf das richtige Gleis bewegt, muss zuerst noch einen dort abgestellten Güterwagen an die Seite schaffen und zerrt dann mit aller Kraft, bis das Dampfross vom Hemmschuh rollt, der weggenommen werden kann und die Lok sich jetzt etwas zurückschieben läßt. Meine eisenbahnkundigen Freunde, beide Triebfahrzeugführer, haben mir bestätigt, dass die Arbeit des Rangierers mit Hemmschuhen der unfallträchtigste Job bei der Bahn ist. Wer den verlinkten Wikipedia-Artikel gelesen hat, kann sich sicher leicht vorstellen, warum.
Im Lokschuppen stehen etliche Dampfloks, wie diese Baureihe 52, diesmal schön restauriert…
…und mit kleinen Witte-Windleitblechen. Windleitbleche sind nötig, um den Fahrtwind so zu führen, dass der Rauch aus dem Kamin möglichst schnell abgeführt wird ohne die Sicht aus dem Führerstand zu behindern. Vor dem Krieg hatten die Dampflok große Wagner-Windleitbleche, wie dieses Exemplar hier.
Um kriegswichtiges Material einzusparen, wurden viele der großen Wagner-Bleche gegen kleinere Witte-Bleche ausgetauscht.
Hinten im Lokschuppen stehen zwei Dampfspeicherloks.
Diese Maschinen haben keine eigene Feuerung. Sie wurden überwiegend in Betrieben mit großer Brandgefahr eingesetzt, wie einem Mineralölwerk.
Der Kessel wird vor der Schicht unter hohem Druck mit Dampf gefüllt und das reicht dann, um einige Stunden herumzufahren.
Die Enge im Lokschuppen erlaubt auch ein paar Einblicke, wie hier das Triebwerk einer Schnellzuglok der Baureihe 01…
…oder dieser Blick in den Führerstand mit offener Feuerklappe.
Das ist nur deshalb so gut zu sehen, weil der Tender mit den Kohle- und Wasservorräten fehlt.
Neben Dampfloks stehen hier euch ein paar Dieselloks, wie diese V200 der DDR-Reichsbahn.
Die sechsachsigen Güterzugloks mit 12-Zylinder-Zweitakt-Dieselmotor wuren ab den späten sechziger Jahren aus der damaligen Sowjetunion geliefert und erhielten wegen ihres lauten Auspuffgeräusches schnell den Spitznamen „Taigatrommel“.
Weil Güterzüge keine Heizung benötigen, hat auch diese Lok keine Zugheizeinrichtung. Wenn sie doch einmal vor Personenzügen im Winter zu Einsatz kam, musste ein Heizwagen mitgeführt werden. Auch ein solches Exemplar steht hier im Lokschupen. Von außen ein normaler Reisezugwagen, nur ohne Fenster. Drinnen der Kohle- und Wasservorrat und der Dampfkessel für die Zugheizung. Der Job als Heizer in dem heißen, engen und fensterlosen Wagen dürfte zu den weniger attraktiven Tätigkeiten gehört haben.
Eine weitere Rarität ist dieser Triebwagen.
Von außen sieht es nach einem Nahverkehrtriebwagen aus. Aber innen…
…Gemütlichkeit im Stile des real existierenden Sozialismus und sogar ein Schlafabteil. Dies war der Inspektionswagen der Reichbahndirektion Magdeburg, damit ist also der Chef persönlich durch sein Reich gezuckelt.
Wir besichtigen noch die Werkstatt mit alten Maschinen, die über Transmissionsriemen angetrieben werden.
Älteste Maschine ist eine Drehbank von 1906. Die Kraft kommt heute von diesem Elektromotor…
…früher vermutlich auch von einer Dampfmaschine.
Ich klettere noch auf den Führerstand einer Diesellok der Reichsbahn-Baureihe 118…
…und sehe kurz den 12-Zylindermotor.
Das ist allerdings ziemlich eng und ich bin froh, bald wieder draußen zu sein.
Zum guten Schluss noch eine Antwort auf die Frage, die ich mir auch schon lange gestellt habe: Warum hieß die DDR-Reichsbahn „Reichsbahn“, obwohl man ja mit dem Deutschen Reich, aus dem der zweite deutsche Staat durch Teilung hervorgegangen ist, so rein gar nichts zu tun habe wollte?
Das Fernsehen, in dessen Mediatheken ich seit der Aufstockung des Surfvolumens eifrig Gigabytes verbraucht habe, hat es mir erklärt: Hätte die DDR ihre Bahngesellschaft umbenannt, hätten sie die Rechte am Betrieb der S-Bahn in West-Berlin verloren.
Die Staßfurter Eisenbahnfreunde haben natürlich auch eine Webseite: Eisenbahnfreunde Stassfurt
Öffentlich zugänglich ist das Gelände leider nur bei Tagen der Offenen Tür oder Dampflokfesten. Termine erfährt man auf der Webseite.
Auf der Ausflugskarte ansehen.
Gruß
Henning
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Die Dampfkessel, welche wie Sie bereits sagen für die Zugheizung genutzt wurde, werden auch heute noch großindustriell gebraucht. Der enstehende Wasserdampf wird dann für Heiz- oder Betriebszwecke genutzt. Soweit ich weiß, gibt es auch viele verschiedene Arten von Dampfkesseln. Vielen Dank für den Beitrag!