Hallo zusammen,
auf dem Stellplatz oder besser Parkstreifen auf dem Wustrower Hals muss man von 8:00 Uhr bis 18:00 Uhr bezahlen. Der Automat nimmt aber kein Geld im Voraus für den kommenden Tag an. Um also nicht den Stellplatzschergen unangenehm aufzufallen, musste ich um 8 Uhr aufgestanden sein und dem Automaten mein Kleingeld opfern. Aber wenn ich schon so früh auf den Beinen bin, kann ich eigentlich auch fahren. Der Himmel war grau in grau, Wustrow ist verbotene Zone und das Städtchen Rerik reizte mich nicht besonders. Außerdem hatte ich Lust, einmal richtig viele Kilometer auf der Autobahn mit Tempomat abzureißen nach dem ewigen Klein-Klein auf Landstraßen, was natürlich auch seine Reize hat. Gesagt getan und nach einer Stunde auf Straßen wie dieser…
…war ich auf der A20. Inzwischen hatte es zu Nieseln angefangen, was mich in meinem Entschluß nur bestärkt hat. Oft waren nicht mal die Flügel der Stromwindmühlen zu sehen.
Da wird es heute nichts von dem guten Solarstrom geben, nur ordinären Lichtmaschinenstrom, davon aber reichlich. Das Frühstück in Rerik war natürlich in der Hektik auch nur kümmerlich ausgefallen und so habe ich das nachgeholt.
Danach lag sie dann vor mir:
Die Autobahn, sogar mit relativ wenig Verkehr. Es gab kurz vor Berlin nur ein kleines Stückchen Stau vor dem Dreieck Havelland.
Wer tempomatgesteuert über die Bahn mit knapp 90 km/h dahinschnürt, hat ja Zeit, sich Gedanken zu machen. So habe ich, seit ich virtuell in Foren und Facebook-Gruppen zum Thema Wohnmobile unterwegs bin, gelernt, dass das Grüßen der Fahrer untereinander geradezu essentiell ist.
Damit ist weniger das Grüßen auf dem Stellplatz gemeint. Hier soll man die Zähne ruhig weiter fest zusammen beißen, wenn einem der Nachbar auf Zeit ein „Hallo!“ entgegenschmettert. Wichtig ist vielmehr, das entgegenkommende Wohnmobil zu grüßen, vornehmlich durch Handzeichen, Hardcore-Grüßer nutzen auch die Lichthupe.
Ich dagegen rufe allen ein fröhliches „Tach“ zu, so auch diesem auf der Gegenfahrbahn.
Man mag einwenden, dass die meisten das nicht hören, aber meiner Grußpflicht habe ich Genüge getan. Denn, und auch das habe ich in den besagten Foren und Gruppen gelernt, viel wichtiger als der eigene Gruß ist die Reaktion des Gegrüßten. Bleibt der unbewegt sitzen und starrt weiter geradeaus auf die Straße, darf man mit einigem Recht annehmen, es mit einem Anfänger oder gar einem Mieter zu tun zu haben, der mit dieser ach so schönen Gruß-Sitte nicht vertraut ist. Da winkt doch der Oberlehrer aus dem Fahrerhaus!
Noch zu Zeiten des alten Benz war ich also 15 Jahre lang Anfänger, denn ich habe niemals wahrgenommen, dass mir wer zugewunken hätte und habe folgerichtig auch nicht zurückgewunken. Erst seit ich einen Alkoven fahre, ist mir gelegentliches hektisches Winken oder gar die Lichthupe entgegenkommender Mobile aufgefallen. Dann werde ich immer ganz nervös: Ist vielleicht die Dachluke noch offen? Oder gar die Markise halb ausgefahren?
Es gibt anscheinend verschiedene Theorien, wer wen warum zu grüßen hat. So kenne ich einen Sunlight-Fahrer, der nur Markenkollegen grüßt. Aber schon ein Carado, der vom selben Band bei Capron in Neustadt gelaufen ist, veranlasst ihn nicht dazu, die Hand zu heben. Natürlich bleiben bei dieser Einstellung auch Fahrer der Konzernmutter Hymer ungegrüßt, sowie die Fahrer aller Tochtermarken der Hymer-Gruppe, als da wären Niesmann & Bischoff, Laika, Bürstner und Dethleffs. Doch wenn man das Grüßen nach Marken und Konzernzugehörigkeit weiterdenkt, müsste auch ein Fahrer der neuen Nobelmarke Morelo aus seinen schicken Vollintegrierten heraus einen Knaus-Alkoven grüßen, denn beide Firmen gehören dem selben niederländischen Investor. Das geht so aber auch nicht, denn ein vollintegriertes Wohnmobil ist nach einhelliger Meinung einschlägiger Fachzeitschriften die Königsklasse. Wer also mit einem klobigen Alkoven die Luft zerteilt, soll durch frühzeitiges Entbieten des Grußes anerkennen, dass der Fahrer des Integrierten einfach weiß, was ein wirklich elegantes Wohnmobil ausmacht. Ebenfalls anerkennen sollte der Alkovenfahrer die einem Teilintegrierten innewohnende Dynamik, welche diese Fahrzeuge zu phantastischen Fahrleistungen befähigt. Darum ist auch der Fahrer eines Teilintegrierten vom Alkovenfahrer zuerst zu grüßen. Der teilintegrierte Fahrer seinerseits muss natürlich den erlesenen Geschmack des Integriertenfahrers anerkennen und diesen zuerst grüßen.
Immer zuerst grüßen müssen Kastenwagenfahrer. Denn zu leicht können diese mit einfachen Transportern verwechselt werden und es wäre doch peinlich, einem Lohnkutscher zuzuwinken.
Da man in besagten Gruppen und Foren dieses Thema wirklich sehr ernst nimmt, sei auf das Ironie-Lämpchen am unteren Bildschirmrand hingewiesen. Wer das nicht finden kann, muss es sich einfach dazu denken.
Aber jetzt mal ernsthaft: Wer andere Wohnmobilfahrer grüßen will, der darf das selbstverständlich tun. Er darf auch mich grüßen, soll aber nicht auf eine Reaktion hoffen. Ich nehme das entgegenkommende Fahrzeug als Solches wahr, aber wer da hinter der Scheibe sitzt und was der macht, interessiert mich dabei nur, wenn zum Beispiel an einer Kreuzung Blickkontakt geboten ist. Sollte mir jemand begegnen, den ich tatsächlich persönlich kenne und ich erkenne diesen auch rechtzeitig (Wichtig!), dann kann ich durchaus das gesamte Grüß-Repertoire aufbieten, also Winken, Lichthupe oder auch Anhalten, Aussteigen und Händeschütteln.
Um aber jedem Wohnmobil zuzuwinken, bin ich einfach zu faul.
So, das musste mal gesagt werden. Während einer Kaffeepause habe ich diesen Text zu Tastatur gebracht, damit ich die vielen schönen Formulierungen nicht wieder vergesse.
Auch weit südlich von Berlin sah es immer wieder so aus:
Auf meinem Lieblingsberg in der Fränkischen Schweiz ist das Wetter eher herbstlich, aber der Fahrtag als solcher hat Spaß gemacht. Der Fünfzylinder hat geschnurrt wie ein Uhrwerk, möglicherweise auch beflügelt durch die Zugabe von etwas Zweitaktöl zum Diesel (200ml auf etwa 60 Liter um genau zu sein). Das soll ja hilfreich sein zur Schmierung der Einspritzanlage. Wirklich gespürt habe ich nichts, aber ich werde das wiederholen, auch mit einer etwas höheren Dosierung.
Ich vermisse aber den kernigen Klang des 2,9-Liter-Motors aus dem 312D. Der war akustisch immer präsent und man wusste, wer da für den Vortrieb sorgt. Dafür muss ich jetzt das Radio nicht mehr so laut machen, um meine Lieblingsband Weather Report zu hören. Das ist Jazzrock aus den Siebziger- und Achtzigerjahren mit vielen Tönen pro Zeiteinheit. Für mich die ideale Musik zum Autofahren.
Gruß
Henning
Hallo, Henning, sehr gut geschrieben, Dein Plädoyer in Sachen Grüßen! Finde ich toll + amüsant. Wenn ich dagegen im Forum verschiedene Meinungen lese, kann mir das Grausen kommen – aber man kann sich dann ja denken, was für eine Person dahintersteckt – mach weiter so !
Liebe Grüße, Tonicek.
Der Rangniedrigste ist immer der mit dem Zelt auf dem Buckel 😀
Ein Phoenix mit Alkoven… ganz schwerer Gruß-Konflikt…
….ja, das könnte direkt die Vorurteilsschublade kräftig durcheinanderwirbeln 😉
Es grüsst… die derzeit Wohnmobillose ( ohne Erwartung einer Grußerwiderung )
Da grüß ich natürlich sofort zurück…
na sowas…ich stelle erstaunt fest > es klappt doch prima mit der Grüßerei 😉
Hallo Henning,
nach Deiner Meinung haben wr uns beide gleichzeitig zu Grüßen. Beides Alkoven mit Rundsitzgruppe.
Allerdings habe ich mehr Zuladung. Musst Du jetzt vielleicht doch eher Grüßen ?
Egal, wie dem auch immer ist, ich Grüße immer.
Aber nicht Grenzüberschreitent auf der Autobahn.
Viel Spass auf Deinen Reisen.
Helmut W
Hallo Helmut,
ja, das muss noch geklärt werden, wer wen zuerst zu grüßen hat, wenn sich z.B. zwei Alkoven oder zwei Vollintegrierte begegnen. Nach Knigge wäre es ja der Rangniedere, der den Ranghöheren zu grüßen hat oder der Jüngeren den Älteren, also Sprinter grüßt Düdo oder Bremer.
Aber hier auf dem Stellplatz hat es sich mal wieder bestätigt: Wichtig ist das Grüßen auf der Straße. Ich bin gestern ausgestiegen, hab „Mahlzeit“ zu meinem Nachbarn gesagt, der da gesessen ist. Der hat überhaupt nicht reagiert, erst seine Frau hat mich eines „Moin“ für würdig befunden. Ich komm damit gut klar, ist nur ein leichter Widerspruch zu der Vehemenz, mit der das Grußthema in Foren und Gruppen angegangen wird.
Und wie gesagt, nicht beleidigt sein, wenn ich nicht zurückwinke: Wahrscheinlich hab ich dein Winken gar nicht bemerkt.
Gruß
Henning