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Hallo zusammen,
eine E-Mail mit dem Titel „Verlagsanfrage“ hatte ich Anfang Februar in meinem Postfach. Zunächst ist man geschmeichelt als Blogger, doch als Schreibwerkstatt-Mitglied bin ich vorsichtig bei Verlagen, die aktiv nach Autoren suchen. Das sind in der Regel Druckkosten-Zuschuss-„Verlage“, kurz auch DKZV. Das Wort Verlag steht dabei in Anführungszeichen, weil ein richtiger Verlag das Geld für die Veröffentlichung vorlegt oder vorsteckt und es sich nicht, wie ein DKZV, vom Autor holt.
Eine kurze Erklärung, was ein DKZV ist:
Ein solches Unternehmen finanziert sich durch die Zahlungen des veröffentlichungswilligen Autors, nicht durch den Verkauf der Bücher. Dem Autor werden gewaltige Erfolge auf dem Buchmarkt versprochen, ihm wird Honig ums Maul geschmiert, wie toll er doch schreiben könnte und was für ein großartiges, nur leider verkanntes, Talent er doch sei.
Dafür zahlt der dann Beträge, die durchaus dem Neupreis eines Kleinwagens entsprechen können. Das Buch selbst wird nie in einer Buchhandlung zu finden sein. Vielleicht kann man es bestellen, aber kein Buchhändler wird es sich freiwillig ins Regal stellen wollen und damit den Platz für echte Umsatzbringer blockieren.
Was man in der Schreibwerkstatt zu den DKZV zu sagen hat, ist hier zusammengefasst: Schreibwerkstatt – Verlage bezahlen den Autor, nicht umgekehrt
Auch die lesenswerte Geschichte von Rico Beutlich im Spiegel passt zum Thema DKZV.
Aber ganz so einfach ist es mit der Anfrage vom Verlag Lebensreise, die ich erhalten habe, nun auch nicht. Dort wird ausdrücklich betont, die Veröffentlichung sei kostenfrei und honorarvergütet.
Später erhielt ich die Autoreninformation als PDF. Darin heißt es:
Wir bieten eine konsequent kostenfreie Publikation.
Wir bieten unseren Autoren die Möglichkeit einer kostenfreien Publikation. Um diesen Grundsatz konsequent vertreten zu können, verzichten wir bewusst auf kostenpflichtige Zusatzleistungen wie Lektorats- und Formatierungsservice oder Farbdruck und Hardcoverausgaben und bieten unseren Autoren eine Umsatzbeteiligung ab einem Mindestumsatz an.
Hier wird auf den Autor spekuliert, der mit seinem Traum vom Veröffentlichen bisher an den horrenden Preisen eines DKZV gescheitert ist und der nicht weiß, dass Buchgestaltung und Lektorat von einem richtigen Verlag schon aus Eigeninteresse gemacht werden. Die Gestaltung ist wichtig für den Buchverkauf, denn das sieht man im Laden als erstes, wenn man das Buch in die Hand nimmt.
Auch ein Lektorat gehört dazu. Niemand schreibt sofort druckreif und fehlerfrei. Gerade ein Megahit wie Harry Potter * wurde bestimmt nicht unlektoriert auf den Markt geworfen.
Ich habe nach den Lebensreise Büchern bei Amazon gesucht und bin tatsächlich fündig geworden:
Verlag Lebensreise – Manchmal werden Wünsche wahr: Mein zweites Leben *
Das sind sagenhafte 49,80€ für 308 unlektorierte Seiten. Für knapp fünfzig Euro gibt es anderswo einen tollen Bildband. Wer kauft sowas?
Wenn ihr es über diesen Link kaufen solltet, gibt mir Amazon.de sogar etwas dafür ab, aber es muss wirklich nicht sein. Nehmt lieber den oben verlinkten Harry-Potter-Schuber. Da gibts wesentlich mehr Seiten fürs Geld.
Andere Bücher aus dem Lebensreise Verlagsangebot sind ähnlich überteuert. Das läßt sich auch durch die Herstellungsweise erklären: Im Print-on-Demand Verfahren liegen die Bücher als Dateien auf einem Server und werden nur bei Bestellung tatsächlich physikalisch produziert. So muss unter Umständen die Druckmaschine für ein einziges Buch neu eingerichtet werden. Die Arbeit ist natürlich bei einer größeren Auflage dieselbe, nur können die Kosten da auf mehr Einzelexemplare umgelegt werden.
Weiter aus der Autoreninformation zitiert:
Wir unterstützen den Open-Content Gedanken.
Wir unterstützen als einer der wenigen Buchverlage das Prinzip des “Open-Content”, also den freien Zugang zu Erkenntnissen. Unsere Autoren übertragen uns die exklusiven Nutzungsrechte für den Druck, dürfen jedoch – und das versteht sich von selbst – die bei uns publizierten Inhalte weiterhin im Internet bereitstellen.
Das ist zwar alles schön hochtrabend formuliert, aber: Jeder normale Publikumsverlag, also die, deren Bücher wir alle im Schrank haben, achtet genau darauf, dass die dort veröffentlichten Texte nicht schon vorab im Internet zu finden sind. Denn wer würde Geld für einen Text ausgeben, der auch frei im Internet gelesen werden kann?
Das Geschäftsmodell scheint, trotz mancher Fragwürdigkeiten, aufzugehen, zumindest für das Unternehmen. Ob es auch für den Autor aufgeht, da habe ich meine Zweifel.
In der Autoreninformation heißt es dazu, man wäre am Umsatz beteiligt. Ich habe nachgefragt, wie hoch denn diese Umsatzbeteiligung ausfällt und welche Auszahlungsgrenzen es da gibt.
Daraufhin kam nach einem Tag eine ausführliche Antwort.
Der Autor erhält als Honorar für jedes verkaufte und bezahlte Exemplar
12% der durchschnittlichen Verlagsvergütung (festgelegter
EURONettoladenverkaufspreises abzgl. durchschnittlicher Buch- und
Großhandelsrabatte). Die Honoraransprüche des Autors werden nur dann
ausgezahlt, wenn mehr als 50,00 € Honorar im Monatsdurchschnitt des
Abrechnungszeitraums angefallen sind. Bis zum Wert von 50,00 € Honorar
im Monatsdurchschnitt des Abrechnungszeitraums erhält der Autor statt
der Honorarauszahlung im gleichen Gegenwert einen Büchergutschein […] für […] sämtliche Titel des Verlages
Wie lang der hier erwähnte Abrechnungszeitraum ist, wird nicht angegeben. Ich bin mal von einem Jahr für meine Beispielrechnung ausgegangen. Im Monatsdurchschnitt 50€ Honorar wären 600€ im Jahr, vorher bekomme ich nichts ausgezahlt, könnte also im „besten“ Fall für 599€ unlektorierte Bücher der VDM-Gruppe erwerben. Herzlichen Glückwunsch!
Interessant wird es, wenn erklärt wird, wo das Geld her kommt:
1. Über unsere Onlineshops (http://www.morebooks.de / http://www.ljubljuknigi.ru):
Beispiel:
Nettoladenverkaufspreis 45,79 Euro.
10 verkaufte Exemplare x 32,05 Euro (Verlagserlös, also 70% vom
Nettoladenvk) x 12% = 38,46 Euro
Diese 38,46 Euro werden dann durch 12 Monate geteilt, was einen
Monatsumsatz von 3,21 Euro ergibt.
Wenn also bei den Verlagseigenen Online-Shops 10 Bücher pro Jahr verkauft werden, bekomme ich 38,46€, die natürlich nicht ausbezahlt werden. Damit überhaupt etwas ausbezahlt wird, müssen nach dieser Rechnung mindestens 156 Bücher pro Jahr verkauft werden.
Für ein unlektoriertes Werk zum Preis von fast 50 Euro sehe ich da schwarz.
Bei Amazon ist die Marge des Verlags etwas geringer, hier müssten vom gleichen Werk zum gleichen Preis schon mindestens 219 Bücher jährlich verkauft werden, damit ich auch nur einen Euro davon auf meinem Konto sehe.
Das ist Honorarauszahlungsverschleppung und könnte durchaus Teil des Geschäftsmodells sein. Der auf sein Geld wartende Autor wird irgendwann einen der Büchergutscheine einlösen, was wiederum etwas Umsatz generiert und nicht ausbezahltes Honorar auf einem anderen Autorenkonto.
Eine Auszahlungsgrenze bedeutet für mich, dass man die Überweisung von Centbeträgen für jeden angefallenen Umsatz vermeiden will, wofür ich ja auch, in einem gewissen Rahmen, Verständnis habe. Aber dieses Honorarmodell sprengt diesen Rahmen meines Verständnisses bei Weitem.
Zum Verkaufspreis selbst sagt die Autoreninformation noch dieses:
Faire Preisgestaltung
Der verbindliche Verkaufspreis hängt von vielen verschiedenen Faktoren ab, wie beispielsweise der Zielgruppe, der zu erwartenden Auflage wie auch den unterschiedlichen Produktionskosten, und wird vom Verlag bestimmt. Jedoch machen wir unseren Autoren ein einmaliges Angebot: Bei Interesse können diese Einfluss auf den Buchpreis nehmen und es uns so ermöglichen, das Buch deutlich billiger im Handel anzubieten.
Ich habe nachgefragt, wie denn dieses „einmalige Angebot“ konkret aussieht. Dies war die Antwort:
Wir bieten unseren Autoren vor der Publikation die Möglichkeit, auf den
Buchpreis aktiv Einfluss zu nehmen und den Buchpreis so nach unten zu
senken.
Wenn Sie das Buchprojekt abgeschlossen haben und dieses von uns
überprüft wurde, werden wir Ihnen die freiwillige und einmalige
Möglichkeit geben, über den Kauf einiger Exemplare Einfluss auf den
späteren Buchhandelspreis Ihres Buches zu nehmen. Je mehr Exemplare Sie
uns garantiert abnehmen, desto billiger können wir das Buch im Handel
anbieten. Selbstverständlich ist die Abnahme jedoch rein freiwillig.
Das entspricht dem, was ich im Stillen befürchtet hatte. Der Autor soll selbst sein bester Kunde werden. Jetzt wäre doch interessant zu wissen, wie viele Bücher zum Netto-Ladenpreis von 45,79€ der Autor zu welchem Preis abnehmen müsste, um den Verkaufspreis auf halbwegs konkurrenzfähige 19,80€ zu bringen.
Eine dahingehende Nachfrage wurde wie folgt beantwortet:
es ist leider nicht möglich ein Buch mit ca. 300 Seiten bei uns für
19.80 EUR zu drücken.[…]
In diesem Fall würde ich Ihnen empfehlen Ihr Manuskript auf 200 Seiten
zu kürzen. Der Standartpreis für solchen Umfang wird dann 35.80 EUR
sein. Durch die Abnahme von 200 Exemplaren können Sie den Preis auf
24.80 EUR senken.Damit das Buch am Ende für 19.80 EUR im Handel ist, sollte das
Manuskript nicht 140 Seiten übersteigen.
Die durch den Autor bereits subventionierten 200 Seiten kosten so im Buchhandel 12,4 Cent pro Seite. Die 140 Seiten für 19,80 kosten rund 14 Cent pro Seite. Ich lese gerade „Die Asche meiner Mutter“ von Frank McCourt * (Vorstellung hier). Da gibt es 528 Seiten zum Preis von 20€, das sind rund 4 Cent pro Seite. Diese Rechenexempel habe ich gemacht, um mal einen Maßstab für Buchpreise zu finden.
Jetzt ist Zeit nochmal zu rechnen. Ich gehe von einem Buch mit 200 Seiten aus. Das kostet 35,80€ und mit Subvention durch den Autor 24,80€. Bei 20 Prozent Autorenrabatt und 200 Stück, die der Autor abnehmen muss, kostet diese Subvention 3968 Euro.
Damit sich das für den Autor rechnet, müssten zum Preis von 24,80€ bei Amazon mindestens 2667 Bücher verkauft werden. Sollte ich mit meinem Buch zum Blog nicht gerade den zweiten Harry Potter produziert haben, sind solche Verkaufszahlen absolut illusorisch. Bei diesem Angebot gewinnt nur einer – der Verlag Lebensreise.
Kommen wir zu weiteren, recherchierbaren Fakten:
Der Verlag Lebensreise, so heißt es auf der Webseite, ist ein Imprint, also ein Markenname, der „Omniscriptum GmbH & Co. KG“. Im Impressum wird die „VDM Management GmbH“ als Gesellschafterin angegeben.
Das sind doch schöne Begriffe für die Suchmaschine meines geringsten Misstrauens.
Wikipedia über die VDM Publishing Group
Akquise-Mitarbeiter durchsuchen also das Internet nach Dissertationen oder autobiografischen Geschichten in Blogs. Eine solche Mitarbeiterin hat auch mich angeschrieben. Alle Bücher der Firma sind unlektoriert.
Man hat dort auch nicht davor zurückgeschreckt, Wikipedia Artikel abzudrucken und als Buch zu verkaufen.
Studenten und Doktoranden haben also auch mit diesem Unternehmen zu tun. Dazu dieser englische Blogbeitrag:
Scholarly Open Access – Lambert Academic Publishing: A Must to Avoid
Hierin warnt der Blogger vor dem VDM-Imprint Lambert Academic Publishing. Diese würden Akademiker regelrecht zuspammen mit Veröffentlichungsangeboten.
Soweit ist es bei mir noch nicht. Aber ich könnte dort meine Lebensgeschichte jederzeit in Textform abliefern. Will ich aber nicht, sie wird ja gerade erst geschrieben. Und wenn sie denn einmal fertig ist, kann ich dafür auch ein besseres Angebot zur Veröffentlichung finden, eben einen Publikumsverlag mit Lektorat und ohne Verschleppungstaktik bei der Honorarauszahlung.
Oder ich nehme den ganzen Blog als Datei, bringe ihn zu einer Druckerei und lasse dort ein Buch daraus machen für meinen Bücherschrank und meine persönliche Eitelkeit.
Gruß
Henning
Lieber dreimal prüfen, bevor man einem DKZV in die Falle geht.
http://marawinter.de/serioeser-dkzv-braucht-deine-hilfe/
PS: Es gibt keine seriösen Druckkostenzuschussverlage.
Mara, richtig, seriöse Druckkostenzuschussverlage sind ein Widerspruch in sich.
Hier gehen wir auch immer wieder dagegen an, aber der Glaube sitzt tief: http://www.schreibwerkstatt.de
Vor einigen Jahren habe ich auch so ein Angebot bekommen. Ich habe aber nicht zugegriffen. Im nachhinein eine gute Entscheidung, dank meiner Trägheit. Die Bücher sind wirklich total überteuert und wenn ich mein bester Kunde werden soll, dann kann ich das Schreiben gleich lassen. Ist das nicht schon Betrug?
Danke, Henning! Seitdem ich versuche außerhalb der DKZ-Verlage mein Manuskript anzubieten, bekomme ich zahlreiche unseriöse Angebote. Offenbar habe ich damit jene schwarzen Schafe der Branche auf den Plan gerufen, die mit der Unwissenheit der Autoren kalkulieren. Aber, verflixt noch mal, wie komme ich denn sonst an einen Verlag, ohne dass ich finanziell über den Tisch gezogen werde und/oder vorab viel Geld für einen Anwalt hinblättern muss? Selbst die kleinen Verlage werden inzwischen mit Manuskripten zugeschüttet und erklären häufig in ihren Internet-Auftritten: Wir sind “voll”, bitte keine Manuskripte senden! Jedenfalls bin ich total frustriert und im Augenblick verärgert über solche hinterhältigen Geschäftspraktiken wie im Beispiel des Lebensreise-Verlages…
Hallo Annemarie,
geh doch mal zu http://www.schreibwerkstatt.de. Dort wird eine Verlagsliste gepflegt von seriösen Unternehmen, die keine DKZV sind.
Gruß
Henning
vielen Dank, habe die Anfrage auch 2 x bekommen
und bin froh für diese Hintergrundinfos
schöne Grüße! 🙂
Danke, war sehr hilfreich 🙂
Hallo Henning,
danke für deinen Beitrag und die viele Arbeit, die du dir damit gemacht hast! Das hat mir viel Zeit gespart. Mir kam das „Verlagsangebot“ gleich suspekt vor.
Alles Gute
Ulrike
Hi Henning,
Klasse, dass Google mich hierher gebracht hat. Ich habe vor wenigen Minuten so eine E-Mail vom Verlag Lebensreise mit der entsprechenden Anfrage erhalten. Skeptisch wie ich bin, habe ich gleich einen Haken an der Sache gewittert. Vielen Dank für Dein Posting, das meinen Verdacht bestätigt.
Viele Grüße
Dana
Hallo Henning,
ich wurde heute auch von denen angeschrieben und habe den Verlag ersteinmal gegoogelt. Ich bin dann glücklicherweise hier bei dir und deinen absolut hilfreichen Ausführungen gelandet. Danke dafür! 🙂
Alles Liebe!
Schön, wenn es hilft. Also besser Finger weg von deren „Angebot“!
Hallo Hennig,
zu Deinem interessanten laaaaangen Beitrag,
hier ein kurzer,
“ Augen auf oder Beutel auf “
Gruß Helmut W