Raumfrachter Bounty
Schon seit Stunden waren sie mit ihrem kleinen, alten Raumfrachter am Rand der Ersten Terranischen Planetenföderation unterwegs. Aus dem hinteren Teil des Schiffes kam das beruhigende Summen des Ionenantriebs. Vor ein paar Minuten hatten sie den Bereich des föderalen Schwerkraftgenerators verlassen und das monotone „Ding…Ding“ der Schwerkraft-Warnung erfüllte das Cockpit.
„Kannst Du das nicht abstellen?“ wandte sich Commander Floma an seinen Flight Officer Sebma.
„Ich versuch‘s ja schon…“ Er fingerte nervös an seinem Terminal herum und suchte in den Menüs der Schiffssteuerung. Das war die erste Reise der beiden zu dem entlegenen Außenposten der Föderation. Sie sollten dort ein paar dringend benötigte Ersatzteile abliefern.
Endlich hatte er den Schalter gefunden, an einer Stelle im Menü wo er es nie vermutet hätte. Aber da stand eindeutig „Gravity Warning On/Off“. Das musste es sein. Er tippte mit dem Finger auf „Off“ und das Geräusch verstummte.
„Von unserer FSS Defiant bin ich Sprachsteuerung gewöhnt. Sowas ist doch schon längst veraltet.“ Mit diesen Worten blickte Sebma seinen Commander entschuldigend an.
„Ist schon ok, das Schiff ist ja schon fast dreißig Jahre alt. Aber es waren immer die zuverlässigsten Transporter der Föderation“.
Kaum hatte er das gesagt erstarb das Summen des Ionenantriebs und sie spürten den Ruck als der Schub plötzlich aussetzte und das Schiff nur noch von seinem Schwung weitergetrieben wurde. Auch einige der Bildschirme für die Schiffssteuerung blitzten kurz auf und wurden dann schwarz.
„Verdammt, was ist das?“
„Zuverlässig, he?“ höhnte Sebma.
Floma versuchte im Hauptmenü den Antrieb wieder zu starten.
„Wir hätten die alte Mühle doch noch mal in die Wartung geben sollen…“ murmelte er während er die Fehlerlogs durchging um irgendetwas Auffälliges zu finden. Es war nur ein „Shutdown“ verzeichnet, aber kein Fehler. Seltsam…
„Ich versuch’s nochmal…“ Floma tippte energisch auf die große „Start“-Schaltfläche auf dem Bildschirm. Tatsächlich, das Summen setzte wieder ein und der Schub presste sie in ihre Sitze. Aber nur für einige Sekunden, dann war alles wieder vorbei.
„Mist!“ grunzte er. „Was haben wir denn noch?“
Sebma sah sich um: „Radar ist klar, Sauerstoff ist klar, Kommunikator ist klar, Zentralsteuerung…“
„Die sehe ich vor mir.“ unterbrach Floma ihn.
„Was sagt das Radar?“
Sebma wirkte besorgt: „Wir treiben auf ein Asteroidenfeld zu, bei diesem Tempo sind wir in 30 Minuten drin. Nach Centauri-42 sind es etwa 300 Raummeilen bei diesem Kurs.“
„Ok, häng dich an den Kommunikator, ich gehe nach hinten, mal nachsehen.“
Floma schnallte sich los und hangelte sich vorsichtig nach hinten. Die Bewegung ohne Schwerkraft war ungewohnt für ihn seit der föderale Schwerkraftgenerator zu dieser enormen Reichweite ausgebaut war. Waagerecht schwebend hangelte er sich zwischen den Containern im Laderaum durch zum Antrieb. Er klappte den linken der beiden Kästen auf in denen die Ionen-Strahlröhren lagen. Aber da war nichts zu sehen und an so einer Ionenröhre konnte man ohne Spezialwerkzeug und ohne die Diagnoseeinheit auch nichts machen.
Er öffnete den rechten Kasten. Dort sah es genauso aus. Das Schiff selbst war alt aber man hatte erst vor einigen Jahren zwei moderne Strahlröhren mittlerer Leistung eingebaut wie sie Standard bei der föderalen Flotte waren.
Er rief Sebma zu: „Bei den Antrieben sehe ich nichts. Irgendwas im Funk?“
„Negativ. An den Röhren kannst du sowieso nichts machen. Wie sieht die Steuerung aus?“
Sebma der gute Junge. Ihm kamen doch immer wieder die richtigen Ideen.
Er öffnete den kleinen Kasten zwischen den Triebwerken. Jede Menge Elektronik. Auch das müsste man genau durchmessen. Aber vielleicht war es ja ein ganz schlichter Wackelkontakt wie er die Menschheit schon seit der ersten Glühbirne immer wieder zur Verzweiflung trieb. Er bewegte vorsichtig einen Draht nach dem anderen. Als er einen grün-weißen Draht anfasste, setzte plötzlich das Summen wieder ein. Aha, tatsächlich ein kleiner, dummer Wackler. Aber durch den gleichfalls einsetzenden Schub wurde er gegen die Rückwand geschleudert und der Deckel des Steuerungskastens fiel zu. Die Triebwerke gingen aber sofort wieder aus. Er hangelte sich nach vorn.
„Ich hab‘s gefunden. Wir müssen einen Draht fixieren, dann sollten wir hier wegkommen. Auf Centauri werden wir es dann wohl reparieren können. War irgendwas im Funk?“
„Ja, das hier“ Sebma ließ den Rekorder laufen: Rauschen und Knacken, dann eine weibliche Stimme „Seb…Flo….komm…en…“.
„Die rufen uns. Bleib dran, sie sollen einen Traktor losschicken um uns hier abzuschleppen. Ich suche mal was um diesen Draht zu fixieren.“
Sebma sprach eindringlich in den Kommunikator: „Federal Space Ship Bounty an Centauri vier zwei…“. Aber nur Rauschen als Antwort. Er versuchte es immer wieder.
Floma suchte in verschiedenen Fächern und Ablagen herum. Er musste vorsichtig sein, damit nicht der ganze Inhalt heraus schwebte und sich im Schiff verteilte. Für Teile die zur Grundausstattung gehörten gab es Halterungen. Nicht aber für das Zeug das Dutzende von Crews hier in den letzten Jahrzehnten zurückgelassen hatten. Aber unter diesen Sachen fand er schließlich was er suchte: Ein Stück Draht und eine Rolle Isolierband. Diese steckte er in die Taschen seines Overalls. Dann versuchte er die größten schwebenden Teile einzufangen und wieder an ihren Platz zu legen. Diese würden sonst, sobald sie wieder Schub hätten, wie Wurfgeschosse nach hinten fliegen und er würde auf seiner Position das meiste davon abbekommen.
„Ich geh jetzt nach hinten. Mach dich bereit die Steuerung zu übernehmen sobald Schub da ist. Er kann jederzeit wieder aussetzen, aber versuch‘ uns erst mal von dem Asteroidenfeld wegzubringen.“
„Aye, Sir!“ Sebma legte die Hand an die Stirn und wandte sich seinem Terminal zu während Floma sich schon durch den Laderaum nach hinten hangelte.
Er öffnet den kleinen Kasten mit der Steuerung. Der grün-weiße Draht war gut zu sehen.
„Ich fang jetzt an!“ rief er nach vorn. Ein kurzes „Bereit!“ kam zurück. Er berührte den Draht…nichts. Er fasste etwas kräftiger an, da setzte der Schub ein. Um ihn herum und gegen seinen Rücken prasselten die Gegenstände aus den Ablagen: Bleistifte, Zettel, Kaugummis, Unterlegscheiben. Jetzt musste er mit der einen Hand den Draht so halten und mit der freien Hand ihn irgendwie fixieren, vielleicht an den anderen Drähten etwas festbinden. Genau, wenn er den grün-weißen Draht neben diesen roten hielt lief es noch immer, das könnte funktionieren… Geschafft!
Er hangelte sich nach vorn auf seinen Kommandantensessel.
Gerade als er sich angeschnallt hatte, öffnete sich die Einstiegsluke ihres Raumfrachters mit einem schleifenden Geräusch. Eine Frau stand darin, ganz ohne Raumanzug und rief:
„Sebastian! Florian! Jetzt kommt endlich zum Essen!“